: „Da passt Katrina dreimal rein“
Frank Böttcher vom Hamburger Institut für Wetter- und Klimakommunikation vergleicht die Wetterphänomene auf der Erde mit denen auf anderen Planeten im Universum. Dabei findet er gleiche Elemente, aber andere Dimensionen: Der Mars zum Beispiel erlebt mitunter auch einen globalen Sturm
Frank Böttcher, 39, ergründet den meteorologischen Mikro- und Makrokosmos. Er leitet das Institut für Wetter- und Klimakommunikation und betreibt das WetterKontrollZentrum. Foto: Privat
Interview: Grit Beecken
taz: Herr Böttcher, Sie sind der Veranstalter des ExtremWetterKongresses. Welches Wetter ist denn Extremwetter?
Frank Böttcher: Von Extremwetterereignissen spricht man dann, wenn bestimmte Schwellenwerte überschritten werden, beispielsweise bei der Temperatur oder Windgeschwindigkeiten. Beim Wind sind das Orkanstärken, bei Temperaturen müssen fünf Prozent des Normalwertes über- oder unterschritten werden. Das heißt, wenn man für Hamburg einen März-Mittelwert von 9 Grad hat, und in einem Jahr im März 15 Grad herrschen, dann wäre das ein Extremwetter.
Sie untersuchen Wetterphänomene auf der Erde und im Universum. Ab wann spricht man auf dem Jupiter oder Mars von Extremwetter?
Das setzten wir in Vergleich zu den Bedingungen, die auf der Erde herrschen. Das ist deshalb spannend, weil es da draußen auf anderen Planeten Stürme gibt, die ungleich größer sind als das, was wir auf der Erde kennen. Wenn wir uns beispielsweise den Hurrikan Katrina angucken, der ja nun wirklich ein absolutes Extremwetterereignis war, dann muss man sich vorstellen, dass es an den Jupiterpolen Stürme gibt, die ein Auge von 1.000 km[2]Größe haben. Da würde Katrina dreimal reinpassen. Die Größenordnung ist zwar eine ganz andere, aber man kann Wetterelemente eben miteinander vergleichen.
Welche Wetterereignisse vergleichen Sie miteinander?
Auf dem Mars gibt es ganz viele Wetterelemente, die wir auch auf der Erde kennen. Auch dort gibt es Hoch- und Tiefdruckgebiete, ja sogar Frontensysteme, die durch die Atmosphäre ziehen. Es gibt auf dem Mars Staubteufel, die physikalisch ganz ähnlich funktionieren wie die, die wir auf der Erde kennen. Insofern können wir Vergleiche ziehen.
In Zeiten des Klimawandels stellt sich die Frage, ob es auf anderen Planeten genauso oft stürmt wie auf der Erde?
Ganz genau. Leider können wir diesen Vergleich nicht ziehen, weil uns die Daten fehlen. Aber es ist so, dass auf der Venus mit einem sehr hohen CO2-Anteil in der Atmosphäre auch sehr hohe Temperaturen herrschen. Dort stürmt es permanent. Interessanterweise gibt es auf dem Mars auch ein Wetterphänomen, das wir auf der Erde gar nicht kennen: Den globalen Sturm. Alle paar Jahrzehnte hüllt sich der Mars in einen riesigen globalen Staubsturm. Dann kann dort keine Marsmission landen. Hauptursache des Sturm ist die Verschiebung der Marsjahreszeiten.
Mit welchen Daten arbeiten Sie?
Hauptsächlich mit Satellitendaten, aber auch mit Daten des Marsexplorers, der den Mars umrundet und Beobachtungsdaten gesammelt hat. Es sind auch Temperaturmessungen an Ort und Stelle gemacht worden, daher haben wir Oberflächendaten.
Gibt es auch auf anderen Planeten einen Klimawandel oder handelt sich sich derzeit um ein Erdphänomen?
Wir haben keine langfristigen Vergleichsdaten und bräuchten diese über einen Zeitraum von mindestens dreißig Jahren, um Aussagen treffen zu können. Wir können aber sagen, dass der CO2-Anteil in der Venus so hoch ist, dass die Temperatur auf diesem Planeten ungefähr dreißig Grad höher ist als die Temperatur, die man durch den Abstand der Venus zur Sonne erwarten würde. Der Merkur ist viel dichter an der Sonne dran, aber viel kälter als die Venus. Das liegt daran, dass die Venusatmosphäre so viel CO2 enthält.
Aber nichts genaues weiß man nicht. Würde man den Klimawandel auf der Erde unter Umständen anders beurteilen, wenn diese Daten irgendwann vorlägen?
Das ist eine spannende Frage. Es ist natürlich so, dass ein Hauptantrieb für unser Klima unsere Sonne ist. Die Intensität der Sonnenstrahlung hat große Auswirkungen auf die Temperaturen der Erde. Insofern wäre es spannend, die Daten beispielsweise der Venus über einen längeren Zeitraum mit Temperaturkurven der Erde vergleichen. Das ließe Rückschlüsse zu, wie groß der Anteil der Sonnenscheinintensität auf den Klimawandel der jeweiligen Planeten ist. Im Verhältnis zu dem Einfluss der klimaverändernden Gase wie CO2.
Derartige Messungen laufen doch bestimmt schon.
Ja, ich gehe mal von ungefähr zehn Jahren brauchbarer Daten aus. Auch davor wurden schon Daten erhoben, allerdings lückenhaft.
Sie denken auch über Wetterphänomene in den Tiefen unserer Milchstraße nach. Was hat man sich denn darunter vorzustellen?
Ich will Strukturen aus dem Universum mit Strukturen auf der Erde vergleichen. Die Wirbelform der Galaxien beispielsweise ähnelt manchen Sturmwirbeln auf der Erde. Manch ein Atlantiktief sieht von oben so aus wie eine Galaxie. Ein Hurrikan ist nur wenige Kilometer hoch, dehnt sich aber über tausende von Kilometern aus. Das ist wie ein rotierender Teller. Ähnlich ist der Effekt bei den Galaxien. Auch dort kreisen diese Unmengen von Sternen und Sternensystemen in einer relativen Flachheit im Verhältnis zu ihrer Ausdehnung. Und das versursacht denselben physikalischen Effekt: Es bildet sich so eine Art Tellerscheibe. Daher ähneln sich die optischen Strukturen, obwohl sie im Grunde genommen nichts miteinander zu tun haben.
Ist das die gleiche Struktur, die sich beim Ablaufen des Badewassers zeigt?
Ganz genau. Das ist die gleiche Struktur in klein. Die begeistert meine Söhne immer sehr. Allerdings wird der Wirbel hier von einem Sogeffekt verursacht – das ähnelt dann eher einem Tornado als einem Hurrikan. Der Hurrikan hat in der Mitte keinen Sog, sondern gerät durch das Zusammenziehen der Masse in Rotation. Aber der Badewasserstrudel und manche Wetterphänome sind entfernt verwand.
Frank Böttcher hält einen Vortrag zum Thema „Extremwetter auf Erde, Mars und anderswo“ am 11. Januar um 19.30 Uhr im Planetarium Hamburg. Der ExtremWetterKongress findet vom 26. bis zum 28. März in Hamburg statt. Infos: www.extremwetterkongress.de