: Ins Netz gegangen
Die ausgewechselten Redakteure der „Münsterschen Zeitung“ arbeiten an einer lokalen Konkurrenz im Internet – auf Kosten ihres früheren Verlegers
AUS MÜNSTER KRISTINA PEZZEI
Noch ist es kahl in dem Hinterhofbüro von echo-muenster.de. Ein paar Tische, Laptops, eine Magnettafel an der Wand. Blumen und Bilder gibt es kaum, nur einen Adventskalender haben sie im Dezember aufgehängt. Das knappe Dutzend werdender Online-Redakteure hat keine Zeit, sich um Dekoration zu kümmern: Die frühere Mannschaft der Münsterschen Zeitung (MZ) ist bis zu 70 Stunden pro Woche im Einsatz. Ihr ehrgeiziges Projekt: der Aufbau eines Online-Stadtmagazins als Konkurrenz zu den zwei Zeitungen am Ort.
Die Redakteure lassen sich bis zum Herbst zu Onlinern schulen, das Magazin ist das Objekt ihrer Übung. Finanziert werden sie von der Transfergesellschaft, in die sie nach ihrem unerwarteten Rausschmiss bei der MZ im Januar 2007 gedrängt wurden. Verleger Lambert Lensing-Wolff hatte die gesamte Lokalredaktion von einem Tag auf den anderen vom Dienst freigestellt und eine neue, billigere Mannschaft eingesetzt.
Mit einem hatte der Verleger nicht gerechnet: dass er durch seinen arbeitnehmerfeindlichen Coup neue Konkurrenz heranzüchtet und diese über die Transfergesellschaft sogar indirekt mitfinanziert. Er verfolge das Online-Projekt „mit Interesse“, sagte Lensing-Wolff der taz, es sei allerdings noch zu früh für eine Bewertung.
Für Redakteurin Bruni Frobusch kam es nicht in Frage, sich mit der Arbeitslosigkeit abzufinden: „Auf dem Sofa sitzen und die Hände in den Schoß legen, das konnte ich nicht.“ 25 Jahre lang hat sie bei der MZ gearbeitet, zuletzt Kultur und die lokale Wirtschaft betreut, jetzt bringt sie ihr Wissen in das Online-Projekt ein. „Ich setze darauf, dass das hier was wird“, sagt Frobusch. In ihrer Stimme schwingt Trotz mit – die Trauma-Phase und der Trübsinn sind vorbei. Optimismus braucht die Redaktion auch: Bei Bewerbungen auf die wenigen freien Stellen in der Region waren die früheren MZ-Leute chancenlos. Zu alt, zu teuer.
echo-muenster.de versteht sich als reines Lokalmagazin. Die Redakteure schreiben alles selbst. Das ist anstrengend – aber für das Abo einer Nachrichtenagentur fehlt das Geld. „Echo Münster“ hat zwar schon einige Firmen als Anzeigenkunden gewonnen, lokale Unternehmen und eine US-Schnellimbisskette, die Akquise soll aber ausgebaut werden. Ein Banner kostet 100 Euro im Monat, geplant sind steigende Preise ab Mitte des Jahres.
„Die Frage ist, wie lange sie das durchhalten“, sagt Christoph Neuberger. Grundsätzlich sei das Online-Projekt ein respektabler Versuch, auch wenn gerade am Design noch einiges verbessert werden könne. Der Kommunikationswissenschaftler an der Universität Münster bezweifelt indes, ob sich das „Echo“ von allein wird tragen können. „Es gab schon ähnliche Versuche in Konkurrenz zu einer Tageszeitung, aber die waren alle nicht erfolgreich, soweit ich das sehe.“ Auch Werner Hinse, Vorsitzender des Pressevereins Münster-Münsterland, sieht eine eher düstere Zukunft für die ehemaligen MZ-Redakteure: „Zehn Leute werden auf Dauer nicht von ‚Echo Münster‘ leben können.“
Inhaltlich lobt Hinse die Arbeit der Onliner als „Bereicherung“ für die publizistische Landschaft der Stadt. Andere sind da kritischer: Blogger bemängeln anbiedernde Texte über lokale Unternehmen und sachliche Fehler. echo-muenster.de wehrt sich gegen solche inhaltliche Kritik. Was das Schreiben im Netz angehe, könnten sie noch dazulernen – aber der Stil sei frischer als zu ihrer Zeit bei der MZ. Das stimmt in der Tat, die Texte sind frecher, locker und wach. Das müssen jetzt nur noch die Münsteraner merken.