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Archiv-Artikel

Linke Grüne fürchten die Öko-FDP

Noch nie machte die CDU den Grünen so deutliche Avancen für eine Koalition wie derzeit vor der Wahl in Hamburg. Das macht grünen Fundis Angst. Parteilinke wie Robert Zion und Julia Seeliger sagen im Fall von Schwarz-Grün Austritte voraus

VON TIMO HOFFMANN

In den E-Mailinglisten linker Grüner ist die Aufregung groß. Auslöser ist die Ankündigung von Hamburgs Bürgermeister Ole von Beust (CDU), nach der Bürgerschaftswahl lieber mit den Grünen als mit der SPD zu koalieren. Voraussetzung: Es reicht am 24. Februar nicht für eine absolute CDU-Mehrheit, Schwarz-Gelb und Rot-Grün. Das werde per E-Mail „sehr aktiv“ diskutiert, berichtet das grüne Parteiratsmitglied Julia Seeliger. Manche befürchteten: „Oh Gott, jetzt könnte es wirklich passieren.“

Das Gespenst Schwarz-Grün ist zurück. Dafür, dass es in Hamburg zum bundesweit ersten Landesbündnis kommen könnte, spricht, dass es dort schon zwei Bezirkskoalitionen gibt. Auch waren die Avancen der Union noch nie so deutlich. Der Grund ist simpel: Die derzeit allein regierende CDU fürchtet um die Macht. Laut Umfragen reicht es derzeit nicht einmal für Schwarz-Gelb, die FDP könnte sogar an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern. Also wagte Von Beust die Flucht nach vorne.

Die Bundesspitze der Grünen wies seine Kuschelei zurück. Der Landesverband gab sich skeptisch aber gesprächsbereit und schloss eine Koalition - anders als mit der Linken - nicht aus. Viele Grüne sind verunsichert. „Manche sagen, sie würden austreten“, sagt Seeliger, aus deren Sicht das Bündnis den Grünen „schweren Schaden“ zufügen würde. „Dann würden wir noch mehr als Öko-FDP wahrgenommen.“

Es wäre nicht der einzig mögliche Rufschaden: Dass Von Beust 2001 mit dem Rechtspopulisten Ronald Schill koalierte, hat ihm kaum ein Grüner verziehen. Hinzu kommen Streitpunkte wie der Kohlekraftwerk-Bau, die Elbvertiefung und Schulpolitik. Sollte es dennoch zu Schwarz-Grün kommen, wäre dies auch ein Test für den Bund. Umgekehrt spielt die Bundespolitik in die Debatte hinein. Besonders der Kriminelle-Ausländer-Wahlkampf von Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) belebt alte Feindbilder. Das sei „unerträglich“ und zeige, „dass die Gräben zwischen uns sehr tief sind“, sagt der grüne Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele.

Von Austrittsdrohungen in Hamburg berichtet auch Robert Zion vom Gelsenkirchener Kreisvorstand. Seit er der Grünen-Führung auf dem Afghanistan-Parteitag eine Pleite beschert hat, kämpft er für die Fortführung des Linksrucks: „Schwarz-Grün wäre gegenläufig zu unseren jüngsten Parteitagen.“

Viele Grüne befürchten zudem, das Gerede über Nähe zur CDU könne Wähler zur Linken treiben. Manche vermuten, Von Beust versuche genau das: Die Linke stärken, Rot-Grün verhindern und die Grünen in eine Koalition mit ihm drängen. Zion gewinnt der Diskussion auch Vorteile ab. „Sie ist gut, um die SPD unter Druck zu setzen.“

Pragmatischer argumentiert Schleswig-Holsteins Grünen-Chef Robert Habeck: „Wenn sich die CDU bewegt, sollten die Grünen nicht verbohrt sein“, sondern „es knallhart an Projekten bemessen“, also der Gemeinschaftsschule und dem Kohlekraftwerk-Verzicht. „Zu beidem muss die CDU ja sagen. Falls es passiert, bin ich gelassen.“

Parteienforscher Peter Lösche hält eine erste schwarz-grüne Landesregierung „für realistisch“. Die Grünen könnten sich aus ihrer „Gefangenschaft der SPD befreien, die CDU aus der der FDP“.