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Archiv-Artikel

Navi im Schnee

Die Wintersportlerin Verena Bentele braucht jemand, der ihr sagt, wo’s langgeht – jetzt hat sie ihn endlich gefunden

MÜNCHEN taz ■ Wie wichtig der Begleitläufer für sie ist, weiß niemand besser als Verena Bentele selbst – erst recht seit vergangenem Februar, als sie sich im Wettkampf die Hand brach. Im schwedischen Soleftea war ein Weltcup im Langlauf und im Biathlon für behinderte Sportler angesetzt. Drei Tage vorher sagte die Begleitläuferin ab. „Sie musste sich angeblich um ihren kranken Freund kümmern oder so was“, erzählt Bentele. Schnell brauchte sie Ersatz. „Ich habe dann ein junges Mädel gefunden, ohne Erfahrung, und die hat mich dann in Anführungsstrichen gegen einen Baum gesetzt.“ Ganz ohne Anführungsstriche war dann die Saison für Bentele beendet.

Verena Bentele (25) ist blind und eine der bekanntesten deutschen Sportlerinnen mit Behinderung. Sie hat bei den vergangenen drei Paralympics insgesamt sieben Goldmedaillen gewonnen. Und dennoch kann sie ihre Laufbahn nicht immer vorantreiben, wie sie gern möchte, weil sie ab und an ohne Begleitläufer dasteht. Im Herbst war die Not wieder groß. Nach dem abrupten Ende der vergangenen Saison suchte und suchte sie, ohne Erfolg. Sie ging auch den Weg über die Medien. Wenn sie nicht bald jemanden fände, sei Schluss mit ihrer Laufbahn, sagte Bentele. „Ich habe vom Verband bei meiner Suche noch keine Unterstützung erhalten. Das ist superfrustrierend“, klagte sie.

Über 5.000 Zufälle

Ein guter Teil der Frustration ist mittlerweile verraucht. Die Germanistikstudentin Bentele sitzt in einem Café im Münchner Univiertel und erzählt von Albi. Albi heißt in Wirklichkeit Albrecht Volz und ist der Mann, in den Bentele all ihre Hoffnungen setzt. „Über 5.000 Zufälle“ habe sie Volz gefunden, erzählt sie. Ende November haben sie zum ersten Mal telefoniert. Volz kam spontan zu einem Lehrgang. „Und wir haben uns richtig gut verstanden.“ Doch nicht allein das. Der 24 Jahre alte Volz ist auch ein erfahrener Langläufer. Er erfüllt die Bedingungen, die Bentele stellt: „Ich brauche jemanden, der Ahnung von Training hat, der weiß, wie es im Rennen taktisch zugeht, und er muss so fit sein, dass er beim Laufen nicht nur keucht, sondern auch reden kann.“ Er muss Verena Bentele mit Rufen die Richtung vorgeben und vor einem Berg auch einmal eine Technikänderung ansagen.

Die erste Wettkampfprobe steht für die beiden kurz bevor. Ab diesem Freitag findet in Isny im Allgäu der erste Weltcup der Saison statt. Die ersten drei Wettkämpfe läuft Bentele mit ihrem ehemaligen Begleiter Franz Lankes, dem die Belastung zu groß geworden war und der jetzt aber noch einmal einspringt. Aber am Dienstag beim 15-Kilometer-Lauf klassisch übernimmt dann Volz. In dessen Zuverlässigkeit setzt Bentele all ihre Hoffnungen bis zu den Paralympics 2010 in Vancouver.

Groll auf kleiner Flamme

Doch auf kleiner Flamme köchelt auch noch der Groll in ihr. „Es wundert mich, dass der Verband eine seiner besten Sportlerinnen einfach so hängen lässt, auch wenn es blöd ist, das über sich zu sagen.“ Bei den Verbandsvertretern stößt Bentele auf wenig Verständnis. Man habe durchaus Kontakte ins Innen- und ins Verteidigungsministerium geknüpft, um etwa den beim Staat angestellten Lankes freistellen zu können, sagt Frank-Thomas Hartleb, Sportdirektor des Deutschen Behindertensportverbandes (DBS). „Aber ich warte bis heute noch auf einen Anruf von ihm.“ Martin Haag, Team-Manager der nordischen Skisportler, ergänzt, diese Hilfe sei sowieso eher Sache seiner Abteilung, nicht der Dachorganisation DBS. Verena Bentele den Mund verbieten will er deshalb aber noch lange nicht. „Sie ist im positiven Sinne eigenwillig und selbstbewusst. Verena weiß, was sie will.“

Nun zum Beispiel fordert sie eine berufliche Perspektive für ihren neuen Begleiter, der ebenfalls noch studiert. Sie will die Verbindung vom Ehrenamt auf eine professionelle Ebene bringen. „Mein Traum wäre es, dass er einen Job bei der Bundeswehr für die nächsten zwei Jahre bekommt, damit er finanziell abgesichert ist“, sagt Bentele – damit beide sich mit voller Konzentration auf Vancouver vorbereiten können. Doch dafür müssen Bentele und die Herren vom Verband ihre Kommunikationsprobleme erst einmal beheben.

SEBASTIAN KRASS