: Der Journalist von Guantánamo
Sami al-Hadsch ist der einzige Journalist unter den Insassen des US-Gefangenenlagers in Guantánamo. In einem offenen Brief beklagte er am Mittwoch die Haftbedingungen: „Jeder von uns leidet körperliche Schmerzen, und unsere verletzten Herzen leiden einen seelischen Schmerz, der nicht beschrieben werden kann.“
Al-Hadsch ist seit Juni 2002 in Guantánamo inhaftiert, wurde mehr als 100 Verhören unterzogen – aber noch immer gibt es keine offizielle Anklage gegen ihn. Zwar gab es immer wieder neue Beschuldigungen: So soll er Geld für militante Gruppen geschmuggelt, eine proterroristische Website geführt und Ussama Bin Laden interviewt haben. Al-Hadschs Anwalt Clive Stafford Smith, dem der Gefangene im Lauf der Jahre zahlreiche Briefe geschrieben hat, sagte 2005 in einem Interview, sein Mandant sei ungefähr genauso sehr ein Terrorist wie sein Großvater.
Der Anwalt vermutet, dass sich die USA in Wirklichkeit vor allem für al-Hadschs Tätigkeit beim arabischen Fernsehsender al-Dschasira interessieren. In den Verhören jedenfalls sei es hauptsächlich darum gegangen. Nicht zuletzt sei al-Hadsch mehrfach die Freilassung im Austausch gegen interne Informationen von al-Dschasira angeboten worden.
Doch der „Gefangene 345“, wie er in den Medien genannt wird, blieb standhaft. Am 7. Januar 2007, dem fünften Jahrestag seiner Überführung in US-Haft, begann er einen Hungerstreik, der bis heute andauert. Zweimal täglich wird er zwangsernährt. Sein Gesundheitszustand ist Berichten nach kritisch – er leidet an Rachenkrebs, Rheumatismus, Zahnproblemen und schlechter Sicht. Medizinische Behandlung bekommt er nicht.
Der 38-jährige al-Hadsch wuchs im Sudan auf, studierte in Indien Englisch, arbeitete anschließend in den Vereinigten Arabischen Emiraten als Verwaltungsangestellter und fing im April 2000 beim arabischen Fernsehsender al-Dschasira in Katar an. Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 ging er als Kameramann nach Afghanistan, wo er mit Handkamera und Videotelefon die zivilen Opfer der US-Bomben dokumentierte. Im Dezember 2001 wurde er von den pakistanischen Behörden an der Grenze zu Afghanistan festgenommen und wenig später dem US-Militär übergeben. Von den 16 Tagen Haft auf dem Luftwaffenstützpunkt Bagram sagte al-Hadsch, es seien die schlimmsten seines Lebens gewesen.
„All dies findet in einer Welt statt, die weiß, was geschieht, dabei aber schweigt und nicht viel mehr tut, als dieses bedauerliche Theater anzuschauen“, kritisierte er jetzt in seinem Brief das mangelnde Interesse der Öffentlichkeit.
NINA DREWES