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Archiv-Artikel

Umfaller tut sich schwer

Niedersachsens Kultusminister Lutz Stratmann (CDU) wird vor der Wahl unsanft an seine Vergangenheit erinnert – ausgerechnet in seinem Wahlkreis Oldenburg, den er gewinnen muss

VON FELIX ZIMMERMANN

Lutz Stratmann ist niedersächsischer Minister für Wissenschaft und Kunst. Der CDU-Mann kommt aus Oldenburg. Dort hat er seinen Wahlkreis. Dass sich Stratmann für das Wahlwerbefilmchen auf seiner Internetseite vor das Oldenburger Schloss gestellt hat, ist mutig. Es gibt zwar gibt eine hübsche Kulisse ab, ist aber zugleich der Ort, der das größte Problem markiert, mit dem Stratmann zu kämpfen hat.

Es könnte sogar so weit gehen, dass Stratmann deswegen nicht direkt in den Landtag gewählt wird. Dann wäre es fraglich, ob er überhaupt dabei ist, wenn die Posten neu verteilt werden im Kabinett Wulff. Stratmann sitzt seit 1994 im Landtag, gewann den Wahlkreis 2003 direkt und zog die Male zuvor über die Liste ins Parlament. Das könnte am 27. Januar schwierig werden, denn wie bei der letzten Wahl könnte es auch diesmal keine Listenmandate für die CDU geben, sondern nur Direktmandate. Innenminister Uwe Schünemann kämpft in Holzminden mit dem selben Problem.

Stratmann muss gewinnen, deshalb steht er vor dem Schloss. Eine schöne Idee, aber eigentlich unklug: Er weiß, dass es dort bald ganz anders aussehen wird und er dabei eine schlechte Figur abgegeben hat. Man sieht es ihm an, dass er sich dort unwohl fühlt. Sein Gesicht wirkt zerknautschter als sonst, seine Haltung gebeugter.

Neben das Schloss wird die Firma ECE ein riesiges Einkaufszentrum bauen. Stratmann gehörte mal zu dessen Gegnern, und das kam so: Er hatte den Ex-Grünen und Karlsruher Fachhochschul-Professor Gerd Schwandner als Oberbürgermeisterkandidat für die Kommunalwahl im Herbst 2006 geholt. Das war notwendig, weil unter den alten Männern der Oldenburger CDU keiner zu finden war. Schwandners einziges Wahlversprechen war die Verhinderung des ECE. Damit traf er auf offene Ohren und Stratmann half ihm: Das Bauvorhaben sei „mit denkmalpflegerischen Belangen nicht vereinbar“, urteilte die Landesdenkmalschutzbehörde in seinem Ministerium. So hätte ECE gestoppt werden können. Die Oldenburger hegten Hoffnung, denn sie wollten den „Koloss am Schloss“ nicht. Schwandner gewann die Wahl – und unterzeichnete wenige Wochen später doch den Vertrag mit dem Investor. Stratmann hatte auch keine Einwände mehr.

Wenig später zerbrach die auf der Basis von Schwandners Wahlversprechen gezimmerte schwarz-grüne Ratskoalition, was die Landes-CDU als „Super-GAU“ wertete. Auf kommunaler Ebene hätte man das Bündnis gerne getestet. Stratmann, der in Wulffs Kabinett ohnehin keinen guten Stand hat, fiel tief, aber immerhin hatte er seinen Kandidaten durchgebracht.

Seitdem wird er noch häufiger in seiner Heimatstadt gesehen. Er betreibt Wiedergutmachung, zumindest versucht er es. Wie verrückt eröffnet er Ausstellungen, ist Schirmherr von Auktionen, schmückt sich mit dem Informatikinstitut OFFIS, das wahrscheinlich auch ohne ihn erfolgreich wäre, und hält sein Gesicht in die Kameras der örtlichen Zeitung. Ungeniert wirbt er auf seiner Homepage für das, was er als Minister für Oldenburg erreicht habe – was die Frage provoziert, wer sich um die Hochschulen, Museen und Theater im Rest des Landes kümmert.

Bislang hat Stratmann mit seinen Aktivitäten wenig Erfolg. Je näher die Wahl rückt, desto stärker wird er mit der Vergangenheit konfrontiert. Wütende Oldenburger werfen dem Minister Umfallertum vor, und der wird panisch: Neulich bei einer Wahlkampfrunde flehte er geradezu um Stimmen, weil er sonst nicht wieder Minister werden könne. Blöd nur, dass immer, wenn er redete, Schilder mit der Aufschrift „Wahlbetrüger“ hochgehalten wurden.

Aufkleber an Ampelmasten in der Innenstadt rufen dazu auf „Keine Stimme für CDU-Wahlbetrüger“ abzugeben. Gefordert wird ein „Schwindler-freies Oldenburg“. Stratmann sehnt sich dieser Tage wahrscheinlich weit weg, nur nach Hannover sollte er jetzt nicht gerade gehen, denn dort werden am Freitag Tausende Studenten demonstrieren – gegen seine Bildungspolitik.