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Archiv-Artikel

VfB Lübeck: Chaostage an der Lohmühle

Nach dem Rücktritt seines Wirtschaftsrates taumelt der schleswig-holsteinische Traditionsverein dem finanziellen Abgrund entgegen. Während jeder gegen jeden schießt, droht die Insolvenz. Krisenstab soll bis Freitag Lösung finden

Es war der Tag der Hiobsbotschaften. Am Montagmorgen traten die drei Wirtschaftsräte des VfB Lübeck zurück, die die Sanierung des maroden Clubs vorantreiben sollten. Am Abend räumte dann VfB-Präsident Wolfgang Piest ein, dass die Situation des Vereins noch schlimmer ist, als bislang bekannt: „Wir sind höher verschuldet als erwartet und stehen vor der Insolvenz.“

Piest bestätigte, dass der Verein nicht nur vier, sondern mehr als fünf Millionen Euro Schulden angehäuft habe. Angesichts der Misere haben während der Saison bereits neun Profis beim Tabellenvorletzten der Regionalliga Nord ihre Verträge aufgelöst.

Seinen Rücktritt hatte der Wirtschaftsrat um den Lübecker Großsponsor Ralf Dümmel mit einer Äußerung des Lübecker SPD-Politikers Peter Reinhardt begründet, der gleichzeitig Präsidiumsmitglied und Schatzmeister des Vereins ist. Reinhardt hatte öffentlich gegen die Wirtschaftsräte Dümmel und Ralf Jorkisch geätzt: „Wie diese Experten das Ding in so kurzer Zeit an die Wand gefahren haben, dazu gehört schon wirtschaftlicher Sachverstand.“ Durch dieses ehrverletzende Verhalten sei das „Maß des Erträglichen deutlich überschritten worden“, gab Jorkisch zurück – und warf das Handtuch.

Als sei des Chaos noch nicht genug, meldete sich auch noch der ehemalige Wirtschaftsrat Mathias Kampmann, der privat rund 380.000 Euro in den Verein gesteckt hat, mit einer Drohung zu Wort: „Wenn Molle und ich jetzt unser Geld zurückhaben wollen, ist es das Ende des VfB.“

Mit „Molle“ ist der jahrelange Wirtschaftsratsvorsitzende Günter Schütt gemeint, der in den neunziger Jahren knapp zwei Millionen in den Verein gesteckt hatte, schließlich aber kaltgestellt wurde, weil er die notwendige Modernisierung nicht vorantrieb. Nun liegt das Wohl und Wehe des Vereins erneut in seiner Hand.

Um zu retten, was nicht mehr zu retten scheint, tagt das Lübecker Präsidium seit Dienstag in Permanenz. Von „Auflösungserscheinungen“ und „Totalsanierung“ ist die Rede. Gleichzeitig beriet der Wirtschaftsbeirat darüber, ob er sich ebenfalls auflösen solle. Präsident Piest distanzierte sich in dem Lübecker Intrigantenstadl unterdessen von den Äußerungen Reinhardts und kündete Konsequenzen aus dessen Fehlverhalten an. Bis morgen soll unter Piests Leitung ein Krisenstab samt der zurückgetretenen Wirtschaftsräte tagen. Am Freitag will Piest verkünden, wie es an der Lohmühle weitergeht. MARCO CARINI