: Die einsamen Kämpfer
Die Geburtstagsdoku „Kontrastreiche Zeiten“ feiert das ARD-Politmagazin als unentbehrlich (22.35 Uhr, RBB)
„Kontraste“-Reporter leben gefährlich. Zumindest suggerieren die Ausschnittschnipsel im Vorspann der Geburtstagsdoku „Kontrastreiche Zeiten – 40 Jahre aus dem Leben eines Politmagazins“, dass Recherchen von „Kontraste“ beinahe zwangsläufig in handfesten Keilereien enden. Dazu lassen die Autoren Chris Humbs und Jan Jansen Elvis „A little less conversation, a little more action“ schmettern. „Sie können hier nicht handgreiflich werden, und schlagen Sie bitte den Kameramann nicht“, hört man eine Reporterin sagen, während sie einen Angriff abwehrt.
Merke: „Kontraste“-Mitarbeiter sind in der Sache unerbittlich, vergessen jedoch auch im größten Trubel niemals ihre gute Erziehung.
Am 18. Januar 1968 ging „Kontraste“ vom SFB zum ersten Mal in der ARD auf Sendung. „Unsere Sendung ist ausschließlich der Ost-West-Problematik gewidmet“, erklärte der damalige Moderator, SFB-Chefredakteur Peter Pechel, den Zuschauern in beiden Teilen Deutschlands und führte aus: „Wir wollen uns besonders um die politische, wirtschaftliche, kulturelle und gesellschaftliche Entwicklung Osteuropas kümmern“ – was in der heißen Phase des Kalten Krieges zu einem dankbaren Thema werden sollte.
Spätestens mit der deutschen Wiedervereinigung 1990 war dem Politmagazin, das sich unter Jürgen Engerts Leitung Mitte der 80er Jahre verstärkt dem „Schein und Sein in der DDR“ widmete, sein Thema abhanden gekommen. Was macht man da? Einfach weiter. Die „Kontraste“-Redaktion hat die Existenzberechtigung ihres Magazins verständlicherweise niemals in Frage gestellt – zumindest nicht öffentlich. Das ist ja auch Aufgabe der Anstaltshierarchen, die – nicht nur beim RBB – die Sinnhaftigkeit von Politmagazinen in den letzten Jahren immer wieder angezweifelt haben. „Der RBB wird auf ,Kontraste‘ auch künftig nicht verzichten“, widersprach Intendantin Dagmar Reim diesen Stimmen auf der Geburtstagsfeier klar und deutlich. „Kein politisches Magazin aus der Hauptstadt – wie soll das denn gehen?“
Nun ja, ein Weltuntergang wäre es nicht gerade, wenn der relativ kleine RBB sein Politmagazin dichtmachen würde. Dann gäbe es ja immer noch „Monitor“ vom WDR, „Panorama“ vom NDR, den „Report“ vom SWR und den vom BR sowie „Fakt“ vom MDR. Schon die Anfang 2006 von 45 auf 30 Minuten verkürzten Sendezeiten haben die Zuschauer nicht zu Spontandemos animiert. Phantomschmerzen verspüren ausschließlich die Redakteure.
Es muss einem nicht gefallen, aber der kämpferische Gestus der ARD-Politmagazine, der auch in der „Kontraste“-Geburtstagsdoku 45 (!) Minuten lang beschworen wird, wirkt nicht mehr zeitgemäß. Was nicht heißt, dass die Welt besser und Politmagazine überflüssig geworden sind. Die Welt ist auch nach 40 Jahren „Kontraste“ immer noch schlecht – nur scheinen sich viele damit abgefunden zu haben. Ehrenwerte Sendeformate wie die ARD-Politmagazine sind Opfer dieser Entpolitisierung. Im Zeitalter des Privatfernsehens ziehen viele eine halbe Stunde „Dschungelcamp“ einer halben Stunde „Kontraste“ vor. Schwierige Themen hat man schließlich selbst genug. DAVID DENK