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Natalie Tenbergs Gastro- und Gesellschaftskritik: Statt Karneval in Kevelaer ins Gaffel-Haus in Berlin-Mitte – geht das? Ein Testbesuch
Karneval hat ja unter denen, die nicht an ihm teilnehmen, eher einen schlechten Ruf. Leider. Schuld daran sind zweifelsfrei die vielen TV-Sendungen, bei denen niveaulose Witze vor schlecht gekleidetem und angetrunkenem Publikum erzählt werden. Bauchredner, Potenzscherzchen und Fäkalhumor, schlechte Lieder, schunkelnde Menschen.
Ja, der Fernsehkarneval ist fast so schlimm wie der Straßenkarneval. Wie soll man als Rheinländer und Niederrheiner in Anbetracht der Negativpropaganda erklären, weshalb man diese Zeit trotzdem schätzt? Das Vergnügen hängt nämlich meist von der Verbundenheit zu einer Kneipe ab. Ob in Kevelaer, Krefeld oder Köln, die Kulisse des Bekannten dient als befreiende Affektnische. Dumm nur, wenn man im Karneval in Berlin festsitzt, wo Kneipiers über das verbindende Element dieses schönen Festes gern die Nase rümpfen.
Doch eine Stadt wie Berlin wäre nicht ihrer Vielfalt wegen berühmt, wenn es nicht auch für die Karnevalisten ein paar Zufluchtsorte gäbe. Als solcher könnte das Gaffel-Haus an der Taubenstraße in Mitte dienen. Wegen der in dieser Ecke von Mitte herrschenden, der Gemütlichkeit in so vielem entgegenstehenden Verhältnisse tarnt sich auch das Gaffel-Haus mit Sterilität. Holzpanelen und Tische ohne Patina, Geschäftsreisende in Anzügen, nicht eben das, was man sich unter einer Brauhauskneipe vorstellt. In diesem Lokal wirkt von Innen alles, wie es in dieser Gegend auch draußen ist: wie frisch aus dem Baukasten. Erst als ein Sänger mit Gitarre die besten Lieder aus Frankreich und der Eifel vorträgt, kommt bei den Besuchern ein wenig Stimmung auf. Wie eine Vorahnung auf das, was noch kommen mag, steht der einsame Mann mit der Gitarre unter der noch dunklen, für Weiberfastnacht aufgestellten Lichtanlage. Ja, vielleicht ließe sich hier doch ganz gut feiern – denkt man nach dem vierten Bier.
Essen kann man im Gaffel-Haus erstaunlich gut. Herings-Stipp mit Bratkartoffeln, Speckpfannekuchen, die feine Kölner Bratwurst, die mit handgestampftem Kartoffelpüree in einer überdimensionierten Porzellanpommesschale serviert wird, das alles kommt dem Appetit eines Biertrinkers entgegen. Der Nüchterne wird feststellen: Herzhaftes wird hier hervorragend gemacht, wegen des Apfelstrudels hingegen muss niemand hierherkommen. Des Kneipenkarnevals wegen aber schon. Probieren sollte man es.
GAFFEL-HAUS BERLIN, Taubenstr. 26, 10117 Berlin, Tel. (0 30) 31 01 16 93, www.gaffel-haus.de, Mo.–Sa. 11–1 Uhr, So. Ruhetag, U Hausvogteiplatz; kleine Speisen ab 2 €, Hauptgerichte ab 6,70 €, Kölsch 1,60 €, Cola 1,60 €, Raucherraum Der aktuelle Tipp: Diesen Donnerstag ab 11.11 Uhr Weiberfastnacht