: „Punkte machen in der Bauchgegend“
Im Hamburger Wahlkampf treten die Spitzenkandidaten Ole von Beust (CDU) und Michael Naumann (SPD) auch auf Großplakaten gegeneinander an. Die taz nord hat einen Experten gebeten, sich die Kampagnen anzusehen: Burkhart von Scheven, Kreativchef bei Saatchi & Saatchi Deutschland
BURKHART VON SCHEVEN, 43, saß letztes Jahr in der Plakatjury des Art Direktors Club und ist Kreativchef bei Saatchi & Saatchi. FOTO: AGENTUR
PROTOKOLL: DANIEL WIESE
Die Kampagnen von CDU und SPD versuchen emotional etwas Ähnliches, sind in der Ausführung aber doch sehr unterschiedlich. Ich fang mal mit der Ole-Kampagne an. Da beobachte ich übergreifend, dass er eigentlich nichts sagt. Er beschwört einen Ist-Zustand, „Hamburg boomt“ zum Beispiel. Ich kann das nicht so genau beurteilen, ob Hamburg boomt, aber er beschwört einen Erfolg, den jeder entweder spürt oder nicht spürt. Das Plakat ist damit ziemlich botschaftsbefreit. Ole von Beust bezieht keine Stellung, hat keine Vision, sondern ist einfach nur schön: Die Kampagne ist gut fotografiert, das muss man sagen. Ein bisschen abgekupfert von der ersten Bundestagswahlkampf-Kampagne von Gerhard Schröder, die war auch exzellent fotografiert, auch schwarz-weiß, und hatte einen ähnlichen Gesamtduktus. Ole von Beust setzt so mehr auf die emotionale Wahrnehmung als auf den Kopf. Damit macht er bestimmt Punkte in der Bauchgegend, und es entspricht seiner Harmonie suchenden Politik: Wer nichts sagt, sagt auch nichts Falsches.
Das zieht sich eigentlich durch die Kampagne: „Ole von Beust. Dein Bürgermeister“, das ist einfach nur der Ist-Zustand. Sehen wir uns die Aussagen an: „Wissen, wo der Schuh drückt“. Gut, er weiß es vielleicht, aber was wird er tun? „In guten Händen“ ist eigentlich auch keine Ansage, sondern seine Interpretation. Man kann keine Stellungnahme zu dem erkennen, was er in der nächsten Legislaturperiode der Bürgerschaft machen will. „Wir machen es uns nicht leicht“, okay, sie geben sich Mühe, aber was machen sie sich nicht leicht? Er sagt es halt nicht. Insgesamt ist das für mich eine sehr selbstzufriedene Kampagne ohne wirklichen Inhalt, gut umgesetzt und fotografiert, wie gesagt. Die Kampagne sammelt also möglicherweise einige oberflächliche emotionale Punkte, verschafft Herrn von Beust aber keinen Respekt. Damit fehlt der Strategie ein entscheidender Baustein, um Ole von Beust zu einer „Lovemark“ zu machen – so nennen wir die Marken, die es so sehr in die Herzen ihrer Kunden geschafft haben, dass sie unverzichtbar werden.
Bei Naumann ist es genau umgekehrt. Der ist ganz konkret, macht klare, präzise Aussagen, die für Hamburg relevant sind: „Der neue Bürgermeister stoppt den Ausverkauf des Hafens“. Er bezieht klare Positionen und geht damit auch ins Risiko. Mir sagt das sehr viel mehr. Wir mögen es in der Kommunikation nicht, wenn etwas keine klare Botschaft hat.
Die Anmutung von Naumanns Kampagne dagegen ist sehr viel schwächer als bei Ole von Beust. Sie ist viel ungekonnter fotografiert, viel weniger authentisch, das könnte ihn auf der Bauchebene Punkte kosten. Nehmen wir das Plakat mit dem Ausverkauf des Hafens: Wie er da in die unendliche Tiefe des Raumes blickt, das wirkt einfach sehr unecht, und dieser Eindruck zieht sich mehr oder weniger durch. Das liegt auch an der sehr perfekten Ausleuchtung, da ist nichts dem Zufall überlassen, da gibt es keine Unschärfe und auch nichts Natürliches mehr. Es ist ja eigentlich der gleiche Versuch, eine authentische Umgebung und Volksnähe darzustellen wie bei Ole von Beusts Kampagne, allerdings ist es hier schief gegangen. Bei Naumann fällt auf, dass er sich immer mit Bürgern unterhält und damit eine soziale Komponente zeigt, das ist ein bisschen platt. Da wird eine sehr einfache Symbolik eingesetzt: mit der netten Oma, mit der Enkelin im Plausch. Und das auch noch maximal unauthentisch. Man hält die Motive ja nicht wirklich für Schnappschüsse. Bei von Beust könnte man sich noch vorstellen, dass da ein Fotograf mitgegangen ist und Schnappschüsse gemacht hat. Auf die Idee würde man bei Naumann nicht kommen.
Ein gutes Element in der Kampagne von Naumann ist, dass er seinen Namen regelmäßig darunter schreibt, „das hat Herr von Beust ja nicht nötig“, könnten die Hamburger sagen. Das kontinuierliche Element „Der neue Bürgermeister…“ hat zwar ebenso etwas Beschwörendes wie bei Beust, aber hier gibt es der Kampagne einen klaren Duktus, das ist ganz gut. Vor allem aber gibt Naumann eine Antwort auf die Frage, was er machen wird, wenn er Bürgermeister ist. Die Botschaft ist sozial, sozial, sozial. Bei der Hamburger Hafen-Botschaft kann ich nicht einschätzen, ob das sozial ist oder nicht, aber bei allen anderen Motiven – „Der neue Bürgermeister schafft die Studiengebühren ab“, „hört wieder auf die Bürger“, „macht Kitas und Schulen gebührenfrei“ – bezieht er eine klare soziale Position. Er sagt ganz konkret was, das finde ich schon wesentlich angenehmer, als nichts zu sagen. Auf der Botschaftsebene arbeitet er damit an beiden Stellschrauben, um sich zur „Lovemark“ zu machen: Liebe und Respekt.