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Archiv-Artikel

Abgebranntes Haus war früher Nazicafé

Vor einigen Jahren war das Haus fest in deutschnationaler Hand – und Treff bis heute aktiver Neonazis

LUWIDGSHAFEN taz ■ In dem ausgebrannten Haus in Ludwigshafen war bis zu diesem Sonntag das türkische Kulturvereinsheim „Kale“ (Burg). Vor rund zehn Jahren hieß es „Crazy Corner“ – und befand sich in deutschnationaler Hand. Die Kneipe sei „über Jahre hinweg der zentrale Treffpunkt der Ludwigshafener Neonaziszene gewesen“, sagten Antifaschisten der taz. Neonazigrößen wie der mehrfach vorbestrafte Skinheadführer Christian Hehl (38) seien dort ein und aus gegangen. Das „Crazy Corner“ war der logistische Knotenpunkt der braunen Szene.

Hehl machte sich als Organisator der „Freien Kameraden“ in Rheinland-Pfalz und im Saarland einen Namen. Die rechten Skins in Ludwigshafen nannten sich „Doitsche Offensive“ oder „Der Feldzug“. Hehl prahlte, „sofort 60 deutsche Männer militärisch aktivieren“ zu können. Die Stadt duldete einen Naziladen namens „Hehls World“ – als Teil einer Resozialisierungsmaßnahme.

Zu Übergriffen auf Ausländer kam es in diesen Jahren in Ludwigshafen mehrfach. Im Juli 2000 griffen Hooligans ein Asylbewerberheim mit Molotowcocktails an. Ein Kind wurde von einem Brandsatz getroffen. Das Feuer konnte gelöscht werden. „Fremdenhass“ sei ihr Tatmotiv gewesen, sagten die vier Täter später vor Gericht. Sie wurden zu Freiheitsstrafen von bis zu fünf Jahren verurteilt. 2006 dann der Brandanschlag auf das jetzt abgebrannte „Kale“. Zwei Molotowcocktails flogen durch die Fenster. Die Täter wurden nie ermittelt.

Heute terrorisieren die „Freien Kameradschaften“ noch immer die Menschen in Rheinland-Pfalz. „Harte Burschen sind da am Werke“, sagte ein verdeckter Ermittler des Verfassungsschutzes der taz. Und in Ludwigshafen? Hakenkreuzschmierereien überall im Viertel, Aufkleber mit rassistischen Sprüchen an Verkehrsschildern und auf den Schaufensterscheiben aufgegebener Ladengeschäfte: „Dreckstürken“ steht darauf. Oder: „Deutschland den Deutschen!“ Und noch immer, sagen die Antifaschisten, gebe es überall in der Stadt eine „offene Neonaziszene“. Nur 50 Meter vom ausgebrannten Haus entfernt wohne ein bundesweit bekannter Neonazikader. Mattias H. gilt, so die Information, als „führender Kopf des Neonazinetzwerks „Aktionsbüro Rhein-Neckar“. Die dort organisierten „Freien Kameraden“ bildeten im Landtagswahlkampf 2006 eine Aktionsgemeinschaft mit der NPD. In deren Vorstand saß da schon Christian Hehl – er kandidierte auf Platz 5 der Landesliste.

KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT