: Computer und andere Drogen
Am „Safer Internet Day“ berichten ehemalige Drogenabhängige Schulklassen von ihrer Sucht. Medienpädagogen wollen so vor Computerspielsucht und „Digitalem Exhibitionismus“ warnen
Von Christian Jakob
„Drogen bringen dich ganz woanders hin, Computerspiele eben auch.“ So fasste ein Siebtklässler die Diskussion zusammen. Sich von „ganz woanders“ immer auch einen Weg zurück in die Realität offen zu halten – dies war das Anliegen des gestrigen „Safer Internet Day“. Mit dem europaweiten Aktionstag sollten Jugendliche für die Risiken neuer Medien sensibilisiert werden.
Einer der Programmpunkte: Die Aufführung von „Helden im Netz“ im Schnürschuh-Theater. Das von ehemaligen Drogenabhängigen produzierte Stück handelt vom Leben eines Computerspielsüchtigen. Nach der Aufführung berichteten die acht Schauspieler von ihren einstigen Karrieren als Junkies, Alkoholiker oder Automatenspielsüchtige, der damit einhergehenden Isolation und dem persönlichen Verfall. Die Botschaft war den Schülern schnell klar: Gegenstände von Sucht sind austauschbar, ihre Mechanismen jedoch gleich.
Als einer der Schauspieler „WOW“ erwähnt, fühlen sich die Jugendlichen angesprochen. „WOW“, das ist „World of Warcraft“, eines der derzeit beliebtesten Computerspiele. In Deutschland haben sich eine Million Menschen, meist Jugendliche, in den so genannten „Clans“ organisiert: WOW ist ein Online-Mannschaftsspiel – und nur eines unter vielen. Wohin dies führen kann, erzählt der Schauspieler: „Einer meiner Freunde ist clean geworden und hat dann aber nur noch WOW gespielt, ging nicht mehr raus, arbeiten sowieso nicht.“ Am Ende hat er sogar den Strom nicht bezahlt – und bekam den Saft abgestellt.
Rund drei Prozent aller Computerspieler haben ein Suchtproblem, schätzt der Medienpädagoge Markus Gerstmann vom „Servicebureau Jugendinformation“. Er hat den „Safer Internet Day“ in Bremen organisiert. Eltern seien gegen solche Entwicklungen oft machtlos: „Heute sitzen viele Eltern den ganzen Tag vor dem Fernseher, wollen ihren Kindern aber das Daddeln verbieten.“ Ein Schauspieler der „Wilden Bühne“ erinnert sich: „Mein Vater saß immer mit Korn und Bier im Wohnzimmer – und wollte mir dann was vom Kiffen erzählen.“ Er empfahl den SchülerInnen: „Gegen das Spielen an sich ist nichts zu sagen. Ihr müsst nur wachsam bleiben, dass es nicht zu wichtig wird.“
Das zweite große Thema am „Safer Internet Day“: Privatsphäre. Vor zwei Wochen sorgten Informatiker der Fachhochschule Kaiserslautern für Aufruhr. Sie wiesen darauf hin, dass Profil-Portale wie SchülerVZ oder MySpace bereits mehr private Daten angesammelt hätten, als die Stasi je hatte. Über fünf Millionen Menschen, meist Jugendliche, sind in Deutschland bei den virtuellen sozialen Netzen gemeldet. Auf über 280 Millionen „Visits“ brachten es im Januar allein StudiVZ und SchülerVZ. Doch im Gegensatz zur Stasi offenbart man sich im Netz heute vollkommen freiwillig. Von „Digitalem Exhibitionismus“ sprechen Kritiker. Markus Gerstmann sieht dies ein wenig anders: „Jugendliche halten diese Seiten für Privatsphäre – obwohl sie hochgradig öffentlich sind.“ Wenn er zu Beginn seiner medienpädagogischen Seminare die Ausdrucke der detaillierten Online-Profile seiner Teilnehmer für alle sichtbar an die Wand hängt, seien diese oft wütend, erzählte er. „Die sagen: Das geht hier keinen was an – und zwar zu Recht.“ Doch das Bewusstsein, dass die privaten Daten längst öffentlich sind und, sobald sie einmal im Netz stehen, kaum zu löschen seien – dies würde häufig fehlen.
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