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Archiv-Artikel

Zwangsfusion abgewendet

Bei der umstrittenen Kreisreform in Schleswig-Holstein geht die große Koalition auf die Bedenken der Basis ein – verpflichtet die Kreise aber zur Kooperation. Die Sparziele werden von externen Gutachtern festgelegt

„Das Ziel zählt, Kreisgrenzen sind zweitrangig“, fasste Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) gestern die Debatte um die Reform der Kreise in Schleswig-Holstein zusammen. In den Leitlinien, die Carstensen und Innenminister Lothar Hay (SPD) vorstellten, erhalten die Kreise Hinweise, wie sie Geld sparen sollen. Erfüllen sie die Vorgaben, dürfen sie eigenständig bleiben, ansonsten droht die Fusion.

Das verschuldete Land hofft, durch die Reform bis zu 60 Millionen Euro jährlich sparen zu können. Eingeflossen sind die Positionen der Kommunalverbände, die grundsätzlich gegen erzwungene Fusionen sind. Zurzeit gibt es zwischen Nord- und Ostsee elf Kreise und vier kreisfreie Städte – und entsprechend hohe Verwaltungskosten. Um sie zu senken, hatte die Koalition die Reform angeschoben. In erster Linie geht es um eine Neuverteilung von Aufgaben zwischen Land, Kreisen und Ämtern, aber auch Großkreise waren im Gespräch. Sie scheiterten am Widerstand auf kommunaler Ebene. Außerdem muss die Kieler Koalition ein Urteil aus Mecklenburg-Vorpommern berücksichtigen, das zu große Einheiten verbietet.

„Wir befinden uns im Spannungsfeld zwischen dem, was verfassungsrechtlich möglich, wirtschaftlich sinnvoll und politisch durchsetzbar ist“, sagte Carstensen. Geplant ist nun, dass Kreise mindestens 180.000 Einwohner haben müssen – allerdings nur, wenn sie kleiner sind als 2.500 Quadratkilometer, da es sonst für Kommunalpolitiker schwierig wäre, ihr Ehrenamt auszuüben. Außerdem wird das Land in vier „Kooperationsräume“ geteilt, die den früher angedachten Großkreisen ähneln: Die Kreise Nordfriesland und Schleswig- Flensburg bilden mit der Stadt Flensburg den Raum „Nord“, Dithmarschen, Pinneberg, Steinburg und Segeberg heißen „Südwest“, Rendsburg-Eckernförde, Plön und Ostholstein werden mit den Städten Kiel und Neumünster zu „Mitte“ zusammengesteckt, Herzogtum-Lauenburg, Stormarn und Lübeck bilden den Raum „Südost“.

Jeder Kreis erhält eine Zielvorgabe, wie viel Geld er sparen muss. Dazu sollen die Verwaltungen kooperieren: So könnte ein Kreis für alle die Bauaufsicht führen, der zweite übernimmt die Kontrolle der Gaststätten. Die Höhe der Sparsumme werden externe Prüfer festlegen – die nächste Gutachter-Runde, nachdem es im vergangenen Jahr bereits mehrere Papiere gegeben hatte. „Ich glaube nicht, dass die Kosten in einem ungünstigen Verhältnis zum Ertrag stehen“, sagte Carstensen gestern. Bis 2012 haben die Kreise Zeit zu beweisen, dass sie ihre „Effizienzrenditen“ erfüllen.

Alle Beteiligten hätten sich „ernsthaft und intensiv“ mit den Problemen auseinander gesetzt, sagte Lothar Hay, der das Reformpaket von seinem Amtsvorgänger Ralf Stegner geerbt hat. Der hatte versucht, das Thema zu forcieren, was ihm heftigen Widerstand der Landräte und den Ärger der CDU eingebracht hatte. Die SPD-Landtagsfraktion, deren Vorsitzender Stegner heute ist, sei sehr am Erfolg des Projektes interessiert, sagte Hay.

ESTHER GEISSLINGER