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Archiv-Artikel

Alle wollen mal streiken

Achtung! In dieser Woche werden Erzieherinnen, Polizisten, Müllmänner und vielleicht auch Busfahrer die Arbeit niederlegen. Grund sind Tarifstreitigkeiten. Am Donnerstag könnte der gesamte öffentliche Dienst betroffen sein

Von italienischen Verhältnissen ist Berlin zwar noch meilenweit entfernt, aber der Streikkalender der Gewerkschaften für diese Woche kann sich durchaus sehen lassen. Angestellte von Polizei, Bezirksämtern, Hochschulen, Stadtreinigung, Wasserbetrieben, Kindertagesstätten (Kitas) und nicht zuletzt der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) wollen in dieser Woche ihre Arbeit niederlegen. Am Donnerstag, dem voraussichtlichen Höhepunkt der Streikwoche, könnten große Teile des öffentlichen Dienstes lahmgelegt sein.

Am heutigen Montag treten die Verhandlungsführer der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di und des Kommunalen Arbeitgeber Verbands (KAV) zusammen, um über die Bezahlung der BVG-Mitarbeiter zu verhandeln. Wenn diese inzwischen dritte Verhandlungsrunde scheitert, soll noch am Nachmittag verkündet werden, wo und wann in dieser Woche bei den Verkehrsbetrieben erneut gestreikt wird. „Die Stimmung in der Belegschaft ist sehr aufgeheizt“, sagte Ver.di-Sprecher Andreas Splanemann. Er könne nicht ausschließen, dass es rasch zu einer Urabstimmung über einen unbefristeten Streik kommen werde.

Am Dienstag legen dann Mitarbeiter der Wasserbetriebe, der Stadtreinigung und mehrerer Hochschulen, darunter die Technische Universität und die Universität der Künste, für einige Stunden die Arbeit nieder. Zudem wollen rund 1.300 Polizeiangestellte aus den Gefangenensammelstellen und dem Objektschutz in einen 24-stündigen Ausstand treten. Auch der Abschiebegewahrsam Grünau soll bestreikt werden. Zu weniger Bewachung werde dies jedoch nicht führen, heißt es von der Polizei: Das Wachpersonal im Angestelltenverhältnis soll durch verbeamtete Polizisten ersetzt werden.

Mehrere Tarifkämpfe

Ver.di, die Gewerkschaft der Polizei (GdP) und die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) haben sich bewusst zusammengeschlossen, um den Druck auf die Arbeitgeber zu erhöhen. Grund für die vielen Arbeitskämpfe sind drei unterschiedliche Tarifauseinandersetzungen: Während Ver.di für die rund 12.000 BVG-Mitarbeiter Einkommenserhöhungen bis zu 12 Prozent fordert, gibt sich die Dienstleistungsgewerkschaft beim Tarifkonflikt bei den Landesbediensteten deutlich bescheidener: Der Beschäftigten des Landes Berlin sind froh, wenn überhaupt wieder Verhandlungen über Tariferhöhungen mit dem rot-roten Senat zustande kommen. Der nämlich pocht auf den bis 2009 geltenden Solidarpakt. Bis dahin soll sich für die Landesbediensteten in den Bezirks- und Ordnungsämtern sowie in den Kitas gar nichts ändern.

Der dritte Tarifstreit läuft im Rahmen der deutschlandweiten Verhandlungen der Beschäftigten des Bundes und der Kommunen in Potsdam. Die Gewerkschaften fordern Zahlungen von dreimal 300 Euro für ausgebliebene Lohnerhöhungen vergangener Jahre und 2,9 Prozent mehr Gehalt. In Berlin sind von diesen Verhandlungen neben allen Bundesbehörden und Arbeitsagenturen auch die Wasserbetriebe, die Stadtreinigung, die Fachhochschule für Technik und Wirtschaft sowie der Fleischgroßmarkt betroffen.

Der Höhepunkt der Tarifauseinandersetzungen ist für den Donnerstag geplant. Am „Super Thursday“ soll der Streik in alle Bereiche des öffentlichen Dienstes ausgeweitet werden – und das den gesamten Tag lang. „Müll wird nicht wie in Neapel auf den Straßen liegen bleiben“, sagt Splanemann. Die GEW weist allerdings darauf hin, dass sich Eltern um Ersatz für die Betreuung ihrer Kinder kümmern sollten. Laut der Erziehungsgewerkschaft könnten bis zur Hälfte aller Kitas am Donnerstag ihre Pforten dichtgemacht haben.

Chaos am Donnerstag?

Ob es am Donnerstag zu chaotischen Zuständen kommt, hängt laut Splanemann vor allem vom Ausgang der BVG-Verhandlungen am heutigen Montag ab. Gebe es kein Ergebnis, so Splanemann, könne er für nichts garantieren – auch ein Spontanstreik wie Anfang Februar, als bei der BVG fast 40 Stunden nichts mehr lief, sei möglich. FELIX LEE

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