piwik no script img

Archiv-Artikel

Kostenfrage in der Kantine

Ob Kita, Schule oder Firma: Beim Catering hat sich Bioessen noch nicht durchgesetzt. Dabei lässt sich viel verbessern, ohne dass die Mahlzeiten gleich zu teuer würden. Eine Kampagne klärt darüber auf

VON CHRISTINE BERGER

Die siebenjährige Arian isst gern Tofuwürstchen und Eier von glücklichen Hühnern. Fleisch kann sie nicht leiden, Fisch auch nicht. In der Schule gibt es nur „Industriefraß“, wie sie sagt, und meint damit aufgewärmtes Essen von einem Cateringunternehmen.

Zwar verwendet das Berliner Unternehmen 10 Prozent Biozutaten, wie vom Bundesministerium für Verbraucherschutz vorgeschrieben, doch die Liste der verwendeten Farb- und Zusatzstoffen ist lang. Dabei müssen Geschmacksverstärker, Konservierungsstoffe und Antioxidationsmittel in der Großküche nicht unbedingt sein. Wie es auch ohne geht und vor allem mit ökologisch gewonnenen Produkten zeigt derzeit eine Kampagne der Centralen Marketing-Gesellschaft der deutschen Agrarwirtschaft mbH (CMA).

„Bio – mir zuliebe“ heißt das Projekt, das Köche und Küchenpersonal von Großküchen von einer ernährungsbewussteren Kost überzeugen soll. Schon seit 2000 sorgt die CMA mit Workshops, Schulungen und Beratung vor Ort für eine Umstellung der Betriebe, zunächst nur in Nordrhein-Westfalen, seit 2004 auch bundesweit.

„Eine Beratung vor Ort kostet 150 Euro“, so die verantwortliche Projektleiterin Sabine Jörg. Bereits 400 Interessenten hat sie in diesem Jahr schon mit Beratungsterminen, Schulungen und Infomaterial versorgt. „Es kommen immer häufiger Anfragen, grundsätzlich auf Bio umzustellen.“ Früher seien eher Aktionstage gefragt gewesen, etwa ein Bioessen pro Woche oder ein Tag zum Thema Bioessen im Jahr. Bei der Beratung komme es vor allem darauf an, abzuwägen, was angesichts des häufig sehr engen finanziellen Rahmens möglich ist. „Die Lebensmittel sind bei Großküchen ja häufig gar nicht die größten Kostenfaktoren“, so die 34-Jährige. Technik und Personal seien in der Regel teurer. Auch müsse niemand hundertprozentig auf Bio umstellen. „Das Billigste ist etwa, bei Kartoffeln und Möhren nur Bioware zu verwenden.“

Sparen lässt sich auch wenn man auf Convenience-Produkte, also vorgefertigte Lebensmittelmischungen, verzichtet. Das Berliner Bio-Cateringunternehmen Luna Großküche etwa setzt auf eindeutige Zutaten, bei bis zu 80 Prozent der Zutaten verwenden die dreißig Küchenangestellten Produkte aus ökologischem Anbau. Sogar die Kartoffeln werden noch selbst geschält. „Die sind dadurch natürlich frischer“, so Firmenchef Rolf Hoppe, der 1994 Berlins erstes Bio-Cateringunternehmen eröffnete.

Jeweils fünfzig Kindertagesstätten und Schulen beliefert das Unternehmen täglich. Dass das Luna-Essen etwas teurer sei als das „normale“ Essen, störe die Eltern wenig. Seine Erfahrung: „Vor allem private und kirchliche Träger von Schulen und Kitas geben mehr Geld für gutes Essen aus.“ An staatlichen Schulen könne er aus Kostengründen allerdings nur 30 Prozent Zutaten aus ökologischem Anbau verwenden.

Auch in Kassel setzt ein Bio-Caterer erfolgreich auf gesundes Essen. „Wir beliefern 20 Schulen und Kindergärten mit 100 Prozent Bioessen“, so Martin Schiffter vom Bio Catering Marbachshöhe. Täglich werden 2.000 Gerichte gekocht, 39 Euro pro Monat kostet etwa das Bio-Schulessen.

Zum Vergleich: Ein konventionelles Essen an einer Berliner Schule schlägt mit rund 23 Euro im Monat zu Buche. 16 Euro mehr, das ist für manche Eltern nur schwer erschwinglich. In Kassel, einer nicht gerade einkommensstarken Stadt, hat das Bio-Catering dennoch so großen Erfolg, dass sich die Stadt mit dem Motto „Kassel isst gut – Kassel als europäische Modellstadt für ökologische Agrar- und Ernährungskultur“ für den Titel Kulturhauptstadt 2010 beworben hatte. Zwar hat es mit der Bewerbung nicht geklappt, aber Bioessen ist dennoch weiterhin ein Thema in der mitteldeutschen Stadt.

Da kann Rolf Hoppe vom Berliner Cateringunternehmen Luna glatt neidisch werden. „In Berlin ist das Preisniveau ruinös“, so der 51-Jährige. „Hauptsache billig“ sei für viele Schulen das einzige Kriterium bei der Auswahl des Essenslieferanten.

Die Kinder und Eltern danken es auf ihre Art. In Berliner Schulen melden sich alljährlich tausende Schüler vom Schulessen ab. Nicht nur aus Kostengründen. „Den Fraß will doch keiner“, bringt es Arian auf den Punkt. Beim Anblick von matschigem Tiefkühlblumenkohl, stundenlang warm gehalten, oder pappiger Eierpfannkuchen aus einer Fertigmischung wird ihr einfach schlecht.

Weitere Informationen: www.luna.de, www.bio-mirzuliebe.de und www.persephoneia.com/home/index/bio-catering.html