: Peruanische Widersprüche
Der Bioexport brummt in Peru, der Binnenmarkt schwächelt. Doch der Ökomarkt „BioFeria“ in der Hauptstadt Lima behauptet sich gegen diesen Trend mit einer Vielzahl exotischer Produkte
VON FRANK HERRMANN
Flächendeckende Biovielfalt ist inzwischen völlig normal bei uns. Anderswo hingegen gibt es diesbezüglich noch einen großen Nachholbedarf. Länder wie das südamerikanische Peru machen da keine Ausnahme. Im Andenstaat ist man meilenweit von deutscher Biodichte entfernt. Und dies, obwohl Peru paradoxerweise einer der größten Produzenten von Bioprodukten in Lateinamerika ist. Doch rund 95 Prozent der Erzeugnisse wie Kaffee, Kakao, Paranüsse, Mangos oder Andengetreide werden exportiert – vorwiegend nach Europa, Japan und in die USA. Da bleibt für die Peruaner nicht mehr viel übrig.
Die Gründe für die Umsatzschwäche des Biobinnenmarkts sind vielfältig: Zum einen verdient man an Exportprodukten deutlich besser, zum anderen besteht ein großes Informationsdefizit bezüglich der Verfügbarkeit und der Vorteile von Bioware. „Weiß nicht“, „Interessiert mich nicht“ oder „Was ist das?“ sind die häufigsten Antworten, die man in Perus Hauptstadt Lima bekommt, wenn man die Einheimischen auf das Thema gesundes Essen, biologische Landwirtschaft und Schadstoffe in Lebensmitteln anspricht.
Wer arm ist in Lima – und das sind viele –, den interessiert das Thema nicht, denn der tägliche Überlebenskampf im Großstadtdschungel erlaubt den Luxus Biolebensmittel nicht. Eingekauft wird auf Märkten, und zwar so billig wie möglich. Ob das Ei von einer salmonellenverseuchten Hühnerfarm, das Steak von einer unhygienischen Schlachterei oder das Gemüse von einem schadstoffbelasteten Stück Land kommt, spielt dabei keine Rolle. Niemand fragt.
Wer richtig reich ist, hat es nicht nötig, sich auf Märkten durchzudrängeln, denn schließlich lässt man einkaufen, und zwar meist in edlen Delikatessenläden. Gesunde Ernährung ist kaum von Bedeutung – teuer und extravagant muss das Essen sein.
Bleibt die Mittelschicht, die brav in riesigen Supermärkten einkauft. Sie kommt mit Dutzenden von Plastiktüten beladen nach Hause und schlägt sich den Magen mit wenig Vertrauen einflößenden Industrieprodukten voll, obwohl es seit 2003 auch Bioprodukte in den Supermärkten Limas zu kaufen gibt.
Da kommt einem die BioFeria – ein Wochenmarkt mit Bioprodukten inmitten des noblen Stadtteils Miraflores – ein wenig wie das kleine gallische Dorf von Asterix und Obelix vor, das sich – umgeben von römischen Garnisonen – dank eines Zaubertranks behauptet. Wacker trotzt die BioFeria der Konkurrenz durch riesige Supermärkte und hat dabei ordentliche Zuwachsraten zu verzeichnen.
Dass es so gut laufen würde, ahnte niemand im Dezember 1999, als eine Handvoll optimistischer Bioproduzenten, unterstützt vom Deutschen Entwicklungsdienst (DED), die BioFeria gründete. Die Idee stellte sich als perfekte Lösung für alle Beteiligten heraus: Zuvor produzierten die Ökobauern, ohne zu wissen, wo sie ihre Erzeugnisse loswerden würden, und die Konsumenten suchten verzweifelt nach biologisch angebauten Produkten.
Acht Jahre später tummeln sich Samstag für Samstag rund 45 Anbieter auf dem langgezogenen Alternativmarkt am Parque Reducto. Die Produktvielfalt ist ebenso rasant größer geworden. Sie umfasst inzwischen mehr als 200 Erzeugnisse, darunter so exotische Spezialitäten wie Lupinensalat, Kaktusfrüchte, Johannisbrotbaumsirup oder Quinoabrot – alles ökologisch erzeugt. Es macht Spaß, auf der BioFeria einzukaufen, sich zu informieren und vor allem zu probieren: Einen Kaffee aus organischer Erzeugung hier, etwas Guavenmarmelade dort und nebenan dann schnell noch etwas Pecannusskuchen genascht.
Ausschlaggebend für den Erfolg der Bioferia war die Vermarktung und Präsentation, denn „peruanischen Märkten haftet das Stigma von Informalität, Dreck und Unordnung an“, so Cecilia Pardo de Pino, Direktorin von Ecológica Perú. Die Organisation kümmert sich um die Durchführung und Vermarktung der BioFeria, die notwendigen Betriebserlaubnisse durch die Stadtverwaltung, die Einhaltung der Hygienevorschriften und die Kontrolle der zur Teilnahme notwendigen Biozertifikate. Diese stammen zum überwiegenden Teil vom anerkannten und in ganz Lateinamerika tätigen Ökozertifizierer Biolatina.
Aber die BioFeria ist mehr als nur ein Markt. Woche für Woche finden Vorträge zu Gesundheit und Ernährung, Konzerte oder auch Marionettentheater für die Kleinsten statt. Aufklärung über den Sinn und Nutzen von Bioprodukten steht dabei im Vordergrund, denn die wenigsten Peruaner haben sich mit diesem Thema beschäftigt. Doch ist die BioFeria, gemessen an den Umsätzen der großen Supermarktketten, immer noch eine Nischenveranstaltung.
Auch dort sind inzwischen Erzeugnisse aus Bioanbau erhältlich. Wann genau und unter welchen Umständen die erste Lieferung von Bioavocados an Supermärkte erfolgte, daran erinnert sich Frank Schreiber, ehemaliger Entwicklungshelfer bei Ecológica Peru und inzwischen Berater bei der staatlichen Aufsichtsbehörde für Landwirtschaft, Senasa: „Das war genau am 4. Februar 2003. Zwei Tage zuvor hatten uns die Produzenten sitzen lassen, und so fuhren wir selber mit ein paar Leuten auf die Plantage, um die Avocados zu ernten und zu verpacken. Nach 22 Stunden Arbeit ohne Pause hatten wir es geschafft und konnten den Supermarkt Santa Isabel pünktlich beliefern.“
Doch den ganz großen Durchbruch haben Bioprodukte in peruanischen Supermärkten bislang nicht erringen können. Die Ware – bislang nur Gemüse, Eier und Früchte – wird meist nicht getrennt von konventionellen Produkten angeboten, und immer wieder kommt es zu Lieferengpässen, da einige Biobauern den lukrativeren Export wählen. Zudem fehlt es bei Ecológica Perú an den finanziellen Mitteln für PR und Werbung.
Zu einem flächendeckenden Angebot mit breitem Sortiment wie in Deutschland ist es daher noch ein weiter Weg. Immerhin hat die Bioferia schon einige Nachahmer gefunden. In ganz Peru gibt es inzwischen rund 15 Biomärkte, die Woche für Woche ein immer größeres Publikum anziehen.