: Ätherische Heilwirkung
Bei der sogenannten Aromatherapie werden ätherische Öle verwandt, um Bakterien und Viren zu töten. Wissenschaftliche Studien untersuchen die Wirkungsweise
Einige Tropfen Lavendelöl mit etwas Sahne ins Badewasser schütten oder Grapefruitöl in die Duftlampe – fertig ist die persönliche Wohlfühloase. Auch in Arztpraxen und in Geschäften vertraut man auf ätherische Öle, die Patienten und Kunden in eine entspannte Stimmung versetzen sollen. Und in die Büros einiger japanischer Unternehmen strömen Düfte wie zum Beispiel der der Bergamotte – wirkt belebend –, um die Arbeitsleistung zu erhöhen. Weniger bekannt ist, dass die duftenden Pflanzenessenzen auch heilend wirken können. Wobei sich die Aromatherapie, so lautet der korrekte Name dafür, schon lange nicht mehr in die esoterische Ecke schieben lässt. Auch vor den Augen der Wissenschaft hat sie, zumindest teilweise, Gnade gefunden.
Der französische Chemiker René-Maurice Gattefossé erfand den Begriff „Aromatherapie“ in den Zwanzigerjahren des vorigen Jahrhunderts. Er entdeckte, dass ätherische Öle Bakterien und Viren töten können. Und entwickelte sogleich Behandlungen, die allein auf die Heilwirkung der flüchtigen Substanzen bauten. Einige seiner Nachfolger gingen noch ein Stück weiter. Sie glauben, dass die Seele jeder Pflanze in das Öl übergeht. Ein Organismus, der aus dem Gleichgewicht geraten ist, kann mit den Informationen der Pflanze, so die These, wieder die verlorene Mitte finden.
Ätherische Öle gewinnt man vor allem aus Blüten, Blättern, Samen und den Wurzeln von Pflanzen. Auch das Harz und die Rinde von Bäumen lassen sich nutzen – so entsteht aus der Rinde des Zimtbaums Zimtrindenöl. Die gängigste Methode, um ätherische Öle herzustellen, ist die Wasserdampfdestillation. Dabei leitet man Dampf durch die zerkleinerten Pflanzenteile und löst die ätherischen Öle heraus. Fruchtschalen, die Basis für Zitrusöle, werden kalt gepresst. Blütenöle werden aus den ölhaltigen Pflanzenteilen extrahiert. Die Ernte der Pflanzen ist oft teuer, vor allem wenn keine Maschinen eingesetzt werden können. So muss ein Erntehelfer für einen einzigen Tropfen ätherischen Rosenöls 30 Rosenblüten pflücken.
„Ich verwende ätherische Öle vor allem bei Massagen gegen Gelenkschmerzen und Verspannungen“, sagt die Berliner Heilpraktikerin Brigitte Karbe. Sie hat gute Erfahrungen gemacht, denn die flüchtigen Tröpfchen helfen, das Gewebe besser zu durchbluten. Wieso die Aromatherapie wirkt, kann man mittlerweile wissenschaftlich plausibel erklären. Zuerst erreicht das eingeatmete Öl die Schleimhäute von Nase und Bronchien und dringt so in die Blutbahn ein. Weil die Inhaltsstoffe der Öle fettlöslich und die Moleküle sehr klein sind, erreichen sie schnell das zentrale Nervensystem. Dort wirken sie vor allem auf das limbisches System und können Stimmungen beeinflussen.
„Neroli – die Blüte der Bitterorange – kann zum Beispiel Ängste auflösen und die Stimmung verbessern“, meint Brigitte Karbe. In stressigen Situationen sei es außerdem ein gutes Notfallmittel. Auch bei Demenzkranken wirkt die Aromatherapie. Die Patienten sind weniger erregbar und aggressiv, entdeckten Wissenschaftler aus dem Netzwerk der Cochrane Review, die verschiedene Studien ausgewertet haben. Zu einem ähnlichen Ergebnis kam eine neuere Studie chinesischer Forscher aus Hongkong. Danach bessert sich nach einer Therapie mit Lavendelöl das aggressive Verhalten demenzkranker Menschen.
Wissenschaftlich nachgewiesen ist außerdem die Wirkung von Pfefferminzöl. Es hilft, auf die Schläfen aufgetragen, gegen Kopfschmerzen. „Es laufen zurzeit noch einige Studien, bei denen man auf positive Ergebnisse hoffen kann“, weiß Frederick Betsch von der Karl und Veronika Carstens Stiftung, die sich Forschung zur Naturheilkunde auf die Fahnen geschrieben hat. Unbestritten ist auch die keimtötende Wirkung einiger Öle wie zum Beispiel Zitrone, Thymian oder Lavendel.
Wer einige Grundregeln beachtet, kann ätherische Öle auch selbst herstellen. „Am besten sind hautverträgliche Öle, wie zum Beispiel Lavendel, Rosengeranie, Limette oder Sandelholz. Manukaöl ist oft besser verträglich als Teebaumöl, auf das manche allergisch reagieren“, rät die Aromatherapeutin Karbe. Weil ätherische Öle stark reizen, darf man sie niemals unverdünnt auf die Haut tröpfeln.
Als Basisöl kann man zum Beispiel 100 Milliliter Jojoba- oder auch Mandelöl nehmen und es mit 20 Tropfen eines ätherischen Öls vermischen. Wichtig ist die Qualität der Öle. Viele der im Handel angebotenen Öle sind schön billig, weil synthetisch hergestellt. Als „naturidentisch“ angepriesen, enthalten sie aber kein einziges Pflanzenteil. Reine ätherische Öle besitzen hunderte von Inhaltsstoffen, synthetische nur den chemischen Träger des Duftes. Das erklärt auch die Wirkung solcher Öle. „Die liegen nämlich bei null“, erklärt Karbe.
ANGELIKA FRIEDL
Weitere Informationen: www.naturheilpraxisbrigittekarbe.de