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Archiv-Artikel

Wann darf Bioobst fliegen?

Auf der Suche nach umweltschonenden Bioprodukten müssen Konsumenten auf mehr als die Herkunft achten. Auch die Kühlung heimischer Lebensmittel belastet das Klima. Zudem ist der Umgang mit Böden und Grundwasser entscheidend

VON JUTTA BLUME

Nur hartgesottene Biokonsumenten beschränken sich heutzutage im Winter auf verschrumpelte Möhren und Kohlköpfe aus der Biokiste vom regionalen Bauernhof. Die meisten Bioläden und -supermärkte locken inzwischen ganzjährig mit knackig-frischem Obst und Gemüse aus aller Welt. Klar, dass die Biobananen nicht aus der Region kommen können, aber muss man wirklich außerhalb der Saison frische Tomaten essen? Angesichts des breiten Biosortiments, das sich auch in den Discountern findet, mögen sich manche Kunden fragen, ob sie mit der Entscheidung für Bioprodukte überhaupt noch etwas für die Umwelt tun können.

Käufer wünschen Infos über die Ökobilanz

Viele Verbraucher wünschen sich angesichts der Klimadebatte die Kennzeichnung der Kohlendioxidbelastung, die von einem bestimmten Produkt hervorgerufen wird. Dass die Klimabilanz eingeflogener Erdbeeren nicht besonders gut sein kann, erklärt sich von selbst, doch im Vergleich von argentinischen und deutschen Bioäpfeln könnte die Kohlendioxidbilanz manchmal überraschend zuungunsten der heimischen Früchte ausfallen. In dem Fall kommt es nämlich darauf an, wie lange das Obst vor dem Verkauf in Kühlhäusern gelagert hat. So schneiden Äpfel, die neun Monate auf null Grad gekühlt wurden, nicht gerade besser ab als mit dem Schiff importierte frische Ware aus Übersee.

Um die Verbraucher über die wahre Klimabelastung der Produkte aufzuklären, veröffentlicht die niederländische Biohandelsfirma Eosta die Emissionsangaben für den Transport und die Lagerung bestimmter Waren im Internet. So werden pro Grapefruit aus Südafrika 176 Gramm Kohlendioxid pro Kilo emittiert, pro Avocado aus Mexiko 127 Gramm. Die bei der Produktion anfallende Belastung bleibt dabei unberücksichtigt. Der Zugang zu dieser Information bleibt über ein System von Zahlencodes allerdings umständlich, im Laden fehlt die Kohlendioxidbilanz. Eine direkte Gegenüberstellung regionaler und internationaler Waren gibt es auf der Internetseite nicht.

Einfacher kann man es sich da schon machen, wenn man zu Obst mit dem neuen Label „Stop Climate Change“ greift. In dieses Label fließen Herstellung, Transport und Lagerung ein. Durch den Kauf von Emissionsrechten können Hersteller ihre Emissionsschuld wiederum tilgen. Das Zertifikat lässt sich sowohl auf einzelne Waren als auch auf komplette Unternehmen anwenden.

Als Erstes wurden im September 2007 kohlendioxidneutralisierte Bananen aus der Dominikanischen Republik mit dem Aufdruck „emissionsfrei“ in den Handel gebracht. In der Klimabilanz wurden dabei nicht nur Kohlendioxid, sondern alle klimarelevanten Gase erfasst. Seit neuestem bietet auch Eosta einen Klimaausgleich für Bioobst und -gemüse aus Argentinien, Ägypten und den Niederlanden. Die Ausgleichszahlungen fließen in den Aufbau und Betrieb von Kompostanlagen in Mexiko und Ägypten, die dazu beitragen sollen, dass auch konventionelle Landwirte weniger Chemiedünger einsetzen.

Komplexe Rechnung: Was wurde wie belastet?

Wenn keine Ausgleichssysteme vorhanden sind, können Verbraucher nur sehr selten auf konkrete Emissionswerte zurückgreifen und müssen sich in den meisten Fällen vom gesunden Menschenverstand leiten lassen. Vor der aktuellen Klimadebatte gerät allerdings eine umfassende Betrachtung von Umwelteinflüssen der Landwirtschaft schnell in den Hintergrund. So spielt auch der Umgang mit Böden und Grundwasser eine wichtige Rolle, die biologische Landwirtschaft ist in der Regel schonender als die konventionelle, da sie auf Kunstdünger und Pestizide verzichtet. Wenn weniger Tiere auf einer bestimmten Fläche weiden, sinkt die Gefahr der Überdüngung und damit die Nitratbelastung des Wassers. Der Verzicht auf Kunstdünger führt auch dazu, dass weniger klimawirksames Lachgas aus den Böden freigesetzt wird. Der ökologische Landbau spart zudem auch die Energie, die für die Herstellung des mineralischen Düngers erforderlich wäre.

Mit dem Biosiegel der EU wurden für diese Faktoren einheitliche Standards gesetzt, die auch für zertifizierte Ware aus Übersee gelten. Trotzdem stellen einige Anbauverbände strengere Anforderungen als die gesetzlich vorgegebenen. So gibt es etwa bei Bioland Obergrenzen für die organische Düngung, die sich an der zulässigen Anzahl von Tieren pro Fläche orientieren, die EU-Ökoverordnung erlaubt hingegen eine unbegrenzte organische Düngung. Beim EU-Ökosiegel ist außerdem eine teilweise Betriebsumstellung auf Bio möglich, was etwa Bioland und Demeter nicht erlauben.