Überraschung!

Friedrich Christian Flick schenkt dem Hamburger Bahnhof aus seiner Sammlung zeitgenössischer Kunst 166 Werke

Ausgerechnet Friedrich Christian Flick wird in diesen Tagen jener Vorbildfunktion gerecht, die bei der deutschen Elite anzumahnen derzeit so beliebt ist. Am Dienstag jedenfalls wurde bekannt, dass er den Staatlichen Museen zu Berlin nicht nur 166 Arbeiten aus seiner Sammlung zeitgenössischer Kunst schenkt. Nein, schöner noch, „ist die Schenkung des Privatsammlers an keine besonderen Bedingungen geknüpft“, wie der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Klaus-Dieter Lehmann, anlässlich der Vertragsunterzeichnung erklärte.

Das wäre nun in der Geschichte zwischen F. C. Flick und den Berliner Museen tatsächlich eine geradezu revolutionäre Neuigkeit, wenn ein solcher Vertrag ohne besondere Konzessionen abgeschlossen würde. Man darf also darüber rätseln, was unter der Aussage „keine besonderen Bedingungen“ zu verstehen ist. Wahrscheinlich die üblichen Bedingungen, über deren Tücken man Genaueres freilich nicht weiß, da die internationale Kunstwelt über ihre geschäftlichen Gepflogenheiten hermetisch schweigt.

Hermetisches Schweigen über ihre Verhandlungen mit dem Sammler wahrten auch die Stiftung Preußischer Kulturbesitz und ihr Präsident. Selbst das beschenkte Museum, der Hamburger Bahnhof, scheint von dem seit langem vorbereiteten Coup überrascht. In dieser Hinsicht gelten also weiterhin die besonderen Bedingungen im Zusammenspiel der Stiftung und der F. C. Flick Collection. Denn gleich mit dem Umzug der Sammlung von Zürich nach Berlin wurden 2003 vollendete Tatsachen geschaffen. Die besondere Bedingung hinter diesem Überraschungsschlag war es, von vornherein einer Diskussion über die Weigerung des Erben des NS-Rüstungsfabrikanten Friedrich Flick, dem Entschädigungsfonds für ehemalige Zwangsarbeiten beizutreten, das Wasser abzugraben; wie auch der Diskussion über sein Ansinnen, die profitable Verwicklung seiner Familie mit den Nazis und deren Kriegs- und Ausbeutungspolitik mit der kostbaren Leihgabe nach Berlin für bereinigt zu erklären. Und last not least war damit auch jede Debatte über das großzügige finanzielle Engagement der öffentlichen Hand für einen Steuerflüchtling vergeblich.

Die Strategie ging nur bedingt auf. Es kam doch zum öffentlichen Streit. Am Ende zahlte Friedrich Christian Flick in den Zwangsarbeiterfonds ein und finanzierte die ausstehende wissenschaftliche Aufarbeitung der Familiengeschichte. Als wäre das nicht genug, erweist er nun durch eine Schenkung dem Kunststandort Berlin seine Reverenz. Was die Arbeiten betrifft, darf sie tatsächlich als großzügig gelten, denn Flick vermacht dem Hamburger Bahnhof wichtige Werke und Werkblöcke von insgesamt 44 Künstlern, unter anderem das „Saloon Theatre“ des amerikanischen Künstlers Paul McCarthy, Bruce Naumans „Room with My Soul Left Out, Room That Does Not Care“ oder Dieter Roths ausufernde „Gartenskulptur“. Damit erfährt die Sammlung des Hamburger Bahnhofs eine enorme Aufwertung. Deren zentrale Position beansprucht freilich die deutlich schwächere Sammlung Marx.

Hatte deren Kurator Heiner Bastian von der drohenden Schenkung Wind bekommen und deshalb vor einem Jahr zu seinem Rundumschlag gegen die Museumsverantwortlichen ausgeholt? Und belegte dieser mit Kränkungen gespickte Skandal nicht ein weiteres Mal die kontraproduktiven Folgen von Lehmanns intransparenter Gesprächsführung? Eine besondere Bedingung also ist für Verhandlungen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz unbedingt zu fordern, die nach Transparenz und Kommunikation.

BRIGITTE WERNEBURG