: Trotz Erzieherlohn bedürftig
Tarifstreit im öffentlichen Dienst: Kita-Mitarbeiter in Bremen, Hannover, Göttingen und Hamburg zur Arbeitsniederlegung aufgerufen. In Hamburg kritisiert der Landeselternrat das Timing der Aktion
In Göttingen waren sieben der zehn städtischen Kitas dicht. „Heute Warnstreik“, verkündeten Transparente am Eingang. Statt Kindern Brote zu schmieren und Müsli zu mischen, fanden sich gestern viele Erzieherinnen zum Streikfrühstück in der Ver.di-Zentrale ein, um bei Kaffee und Brötchen Transparente zu malen für die Demo am Mittag.
Im Tarifkonflikt des öffentlichen Dienstes hatte die Gewerkschaft für diesen Tag die Beschäftigten der Kitas in Niedersachsen und Bremen und Hamburg zu Arbeitsniederlegungen aufgerufen. Auch Mitarbeiter von Gemeindeverwaltungen, Abfallentsorgung, Kliniken und Sparkassen traten in den Warnstreik, um Druck zu erzeugen, bevor am Montag erneut verhandelt wird.
Ver.di fordert für die Beschäftigten des Öffentlichen Dienstes acht Prozent mehr Lohn und Gehalt. Die Arbeitgeber haben bislang fünf Prozent angeboten, verteilt auf drei Jahre und bei längerer Arbeitszeit. „Für die Teilzeitbeschäftigten bedeutet das unterm Strich ein Minus“, sagt Gewerkschafterin Birgit Kücking. Da drei Viertel aller ErzieherInnen in Teilzeit arbeiten, seien die Einkommen niedrig. So erhalte eine Kita-Beschäftigte, die 28,8 Stunden arbeitet, in Bremen gerade mal 1.050 Euro netto. Damit hat sie Anspruch auf Aufstockungsleistungen nach Hartz IV.
Bei den meisten Eltern stoßen die Streikenden mit diesen Argumenten auf Verständnis. „Wir haben die Eltern schon letzte Woche über die Schließung informiert“, sagt die Göttinger Erzieherin Vera Thölke. „Nur ein Vater, der selber Unternehmer ist, war sauer.“ Wo Eltern unbedingt auf Betreuung der Kinder angewiesen sind, gebe es „Notgruppen“ mit einer Erzieherin.
Auch der Gesamtelternbeirat der städtischen Kitas in Hannover zeigt sich solidarisch: „Wir verstehen die Ängste und Sorgen der Beschäftigten“, sagt Sprecherin Sakia Söder. „Wir haben das gleiche Ziel, die Betreuung unserer Kinder so gut wie nur irgend möglich zu gewährleisten.“
Anders sah dies der Landeselternausschuss (LEA) in Hamburg, wo Ver.di die 3.500 MitarbeiterInnen der 173 städtischen Kitas zum Ausstand aufgerufen hatte. Ab 14 Uhr verließen nach Gewerkschaftsangaben 800 bis 1.000 ErzieherInnen ihre Arbeitsstätte, um zu demonstrieren. „Viele Eltern haben das erst am Abend vorher erfahren. Das ist zu kurzfristig“, sagt LEA-Sprecher Thilo Dieckmann. „Dass so kurzfristig aufgerufen wird, passiert zum Schutz der Beschäftigten“, erklärt die Hamburger Ver.di-Sekretärin Siegrid Ebel. Andernfalls bestehe die Gefahr, dass Vorgesetzte sie zwängen, am Streik nicht teilzunehmen.
Allzu groß fiel die Streik-Beteiligung nach Auskunft des städtischen Kita-Trägers denn auch nicht aus: 55 Prozent der 173 eigenen Häuser seien „gar nicht vom Streik betroffen“ gewesen, berichtet Sprecherin Katrin Geyer. In etwa 70 Kitas sei die Betreuung „eingeschränkt“ angeboten worden, aber nur fünf Prozent waren „komplett zu“. REIMAR PAUL/KAIJA KUTTER