: „Rassismus gehört zum Fußballalltag dazu“
Die DFB-Kommission „Migration und Integration“, die heute zum ersten Mal in Frankfurt tagt, muss vor allem die Vereine der Kreisliga in ihrer Arbeit gegen Rassismus unterstützen, sagt Mehmet Matur von Türkiyemspor Berlin
MEHMET MATUR ist Integrationsbeauftragter des Berliner Fußballverbandes, Mitglied von Türkiyemspor Berlin und der neuen DFB-Kommission „Migration und Integration“.
taz: Herr Matur, Fußballfunktionäre, Politiker und Wissenschaftler stellen die Mehrheit in der neuen DFB-Kommission. Fühlen Sie sich als Mann der Praxis eigentlich gut in dem Gremium aufgehoben?
Mehmet Matur: Immerhin sitzen mit dem Schiedsrichter Alexandre Ntouba aus Kamerun, dem DFB-Integrationsbeauftragten Gül Keskinler und mir drei Personen mit Migrationshintergrund in der Kommission. Das ist ein echter Fortschritt. Vor vier Jahren wäre in einer DFB-Kommission eine solche Konstellation sicher nicht möglich gewesen.
Haben Sie nicht die Befürchtung, dass die Kommission viel zu akademisch wird – also viel redet, aber bei den Vereinen an der Basis nichts ankommt?
Was Rassismus auf deutschen Fußballplätzen bedeutet, bekomme ich Sonntag für Sonntag mit Türkiyemspor Berlin zu spüren. Ich werde mich in dieser Gruppe dafür einsetzen, dass unsere Konzepte, Projekte und Gelder auch den letzten Verein in der Kreisliga erreichen. Denn da ist der Bedarf am größten, nicht in der ersten Bundesliga.
Haben Sie den Eindruck, dass der Rassismus auf den Fußballplätzen wieder zugenommen hat?
Nein. Aber besser ist es auch nicht geworden. Rassismus gehört mittlerweile zum Fußballalltag dazu. Das ist das Schlimme. Und es gibt regelrechte Schübe. Wenn zum Beispiel in der Politik gegenüber Menschen mit Migrationshintergrund Stimmung gemacht wird, wie im hessischen Wahlkampf, dann spüren wir das auch sofort auf den Fußballplätzen.
Menschen mit Migrationshintergrund fühlen sich im organisierten Fußballsport benachteiligt und oft nicht mehr sicher. Wie wollen Sie das ändern?
Es gibt keine schnelle Patentlösung. Wir werden versuchen, mehr Sportler mit Migrationshintergrund in die fußballerische Verantwortung zu nehmen – sie also im Verein und Verband auf allen Ebenen zu integrieren.
Wo sehen Sie aktuell die größten Defizite?
Eindeutig in der Sportgerichtsbarkeit. In Berlin zum Beispiel gibt es keinen ausländischen Sportrichter. Aber mindestens 25 Prozent der Fußballer verfügen über einen Migrationshintergrund, im Jugendbereich sogar noch mehr. Wenn dann deutsche Sportrichter gegenüber Migranten Sportrecht sprechen, kommt doch der Verdacht der Benachteiligung automatisch hoch.
Ausländische Sportler können sich ja zur Wahl stellen.
Ja, und das tun sie auch vermehrt. Aber sie werden von den mehrheitlich deutschen Vereinsvertretern nicht ins Amt gewählt. So wie erst kürzlich in Berlin. Da fehlten einem Türken elf Stimmen. Wir müssen prüfen, ob wir in die Sportgerichte nicht Leute mit Migrationshintergrund berufen können, also ohne formale Wahl. INTERVIEW: TORSTEN HASELBAUER