Folgenschwere Leberhaken

Thomas Ulrich boxt einfach drauflos und verliert seinen EM-Titel im Halbschwergewicht

HALLE/SAALE taz ■ So hätte die Botschaft aussehen können: Deutschland hat einen gut aussehenden Boxer, der fähig ist, sogar dann auf höchstem Niveau zu boxen, wenn der Kampf in Deutschland stattfindet. Der smarte Mann heißt Thomas Ulrich, stieg am Samstagabend in Halle in den Ring und wollte dort seinen Europameistertitel im Halbschwergewicht gegen Yuri Barashian aus der Ukraine verteidigen – das Ganze wenige Stunden, bevor die größere Aufmerksamkeit der Boxöffentlichkeit dem schwereren Ukrainer, Wladimir Klitschko, in New York galt.

Doch aus der Botschaft wurde nichts. Ulrich ging in der achten Runde durch einen Leberhaken K. o. Zum dritten Mal in der Profikarriere des 32-jährigen Berliners ist er seinen Europameistertitel los. „Wenn er weitermachen will“, äußerte Jean-Marcel Nartz, Matchmaker von Ulrichs Boxstall Universum, über dessen weitere Perspektiven, „dann braucht er erst mal eine Pause.“

Am Samstag in der mit 3.500 Zuschauern ausverkauften Sporthalle Brandberge hatte sich Ulrich erstmals mit einem neuen Trainer präsentiert: Ralf Rocchigiani, Bruder von Graciano, selbst ehemaliger Weltmeister, stellte sich gemeinsam mit Universums Cheftrainer Fritz Sdunek in die Ecke. Was Rocchigiani dort erlebte, war die Machtlosigkeit des Trainers. Auf Distanz achtend, war Ulrich in den Kampf gegangen. „Doch Barashian boxte anders, als wir das auf den Videos gesehen hatten“, erklärte Rocchigiani später, während sein Schützling schon im Krankenhaus behandelt wurde. Barashian ging von Beginn ein recht hohes Tempo: Ulrich verlor die ersten drei Runden.

„Dann wollte Thomas es mit Gewalt versuchen, was selten klappt“, analysierte Rocchigiani später. Ulrich verzichtete auf seine Deckung und prügelte einfach drauflos. Das ließ ihn die vierte und die sechste Runde gewinnen, aber jedem Beobachter war klar, dass das nichts werden konnte. „Ich habe immer versucht, die letzten Kräfte zu mobilisieren“, gab Ulrich später von sich. In der siebten Runde ging er dreimal zu Boden. Dreimal erwischte ihn Barashian mit einem Leberhaken. Als der Ukrainer diesen schmerzhaften Schlag in der achten Runde erneut anbringen konnte, war Schluss mit Ulrich: Knock-out.

Yuri Barashian blieb, als man ihn um eine Analyse bat, freundlich. „Der Kampf spricht doch für sich“, sagte er und fügte nur ein bisschen Verwunderung über den geschlagenen Gegner an: „Ich war überrascht, dass der Kampf in der achten Runde schon zu Ende war.“

Nach dem Fight kolportierten Ulrich, Rocchigiani und Matchmaker Nartz, der Entthronte habe sich eine Woche vor dem Kampf eine schmerzhafte Rippenprellung zugezogen. Aber nachdem Ulrich den Hallenser Kampf wegen einer Handverletzung schon einmal abgesagt hatte, habe man sich ja nicht schon wieder krankmelden dürfen. „Die Leute erklären uns ja für bekloppt“, sagte Rocchigiani. Also ging er in den Kampf, und aus der Botschaft vom smarten deutschen Erfolgsboxer wurde nichts. MARTIN KRAUSS