„Berliner Zeitung“ wählt

Turnusgemäß wird ein neuer Redaktionsausschuss bestimmt. Doch die Konflikte bleiben. Klage kommt

Die nächsten zwei Wochen werden entscheidend für die Zukunft der Berliner Zeitung: Am Mittwoch wird hier ein neuer Redaktionsausschuss gewählt, jenes Gremium also, das ebenfalls in den nächsten Tagen die lang angekündigte Feststellungsklage gegen Josef Depenbrock, den Chefredakteur, einreichen will. Am Donnerstag trifft man sich im Verlagshaus am Berliner Alexanderplatz mal wieder zur einer Mitarbeiterversammlung.

Dann wird es auch noch einmal um Felix von Selle gehen. Der war bislang Prokurist im Verlag und zuständig für Personal und Recht. Von Selle verlässt nun den Berliner Verlag – und auch hier geht es um Zoff mit Depenbrock, dem Geschäftsführer.

Nur der britische Medienunternehmer David Montgomery, dem der Berliner Verlag seit 2006 gehört, wird allerdings wohl doch nicht schon dann, sondern erst eine Woche später dabei sein, wenn sich sein Mecom-Konzern die Bilanzdaten für das abgelaufene Geschäftsjahr 2007 zusammengerechnet hat.

Die Doppelrolle von Depenbrock ist auch Grund der Klage. Er firmiert neben dem Job als Chefredakteur seit August vergangenen Jahres auch noch als Geschäftsführer des Berliner Verlags beziehungsweise von Montgomerys BV Deutsche Zeitungsholding. Dies, so der Redaktionsausschuss, widerspreche dem Geist des Redaktionsstatuts der Berliner Zeitung, das ausdrücklich die „Zusammenarbeit zwischen Verlag und Redaktion“ regelt. Wörtlich postuliert wird diese Ämtertrennung dort zwar nicht, entsprechende Verhandlungen des Ausschusses mit Depenbrock endeten aber stets ohne Einigung. Finanziert wird die juristische Auseinandersetzung, die nach Einschätzung von Experten einige Zeit laufen dürfte, vom Deutschen Journalisten-Verband (DJV) und der Gewerkschaft Ver.di.

Ob dies weiterhilft, bleibt abzuwarten. Montgomery jedenfalls will an dem Sparprogramm „2 in 1“ in Sachen Geschäftsführer und Chefredakteur festhalten. Und Depenbrock, der beim taz-Genossenschaftstreffen im September 2007 noch vollmundig erklärte, der Konflikt bei der Berliner Zeitung bereite ihm weniger Sorgen als das von ihm ganz privat nebenbei betriebene Kreuzfahrt-Magazin Azur, hat de facto kaum eigenen Spielraum. Die Musik spielt in London bei Montgomerys Mecom. Und die muss sich nach heftigen Kursverlusten im Januar für die Börse aufhübschen.

Ein schwacher Trost bleibt: Freie Stellen bei der Berliner Zeitung sollen jetzt offenbar wiederbesetzt werden. In der Samstagsausgabe des Blatts wurde für die Meinungsseite gleich eine RessortleiterIn plus StellvertreterIn sowie Verstärkung fürs Wirtschaftsressort gesucht. STG