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Archiv-Artikel

Die Unerbittliche

Das steht jetzt nicht zur Debatte“, würgte Christa Goetsch wenige Tage vor der Hamburg-Wahl die Frage nach Kompromisslinien mit der CDU in der Schulpolitik ab. Etwas unbeholfen. Barsch, weil es kniffelig wird. Grüne Schulpolitik, versprach sie, bedeute kleine Klassen mit höchstens 25 Schülern und eine neunjährige Schule für alle Kinder, die individuell fördert und nicht mehr nach Klasse 4 und 6 aussiebt.

Doch nun brennt genau diese Frage auf den Nägeln. Denn dieses Modell ist mit der CDU nicht zu machen. Wer die grüne Spitzenkandidatin und ihre politische Vita kennt, kann sich nicht vorstellen, dass sie ihr schulpolitisches Credo der Macht wegen aufgibt. Sie hat als erste grüne Schulpolitikerin 2002 die Konsequenz aus der Pisa-Studie gezogen, das dreigliedrige Schulsystem abzuschaffen. Der grüne Slogan „Neun macht klug“ ist ihre Erfindung.

Sie weiß, wovon sie spricht. Bevor die Biologie- und Chemielehrerin 1997 ins Landesparlament gewählt wurde, hatte sie 17 Jahre in einer Brennpunktschule unterrichtet. Sie hat erlebt, wie Kinder mit Migrationshintergrund um ihre Chance gebracht und „Talente verschleudert werden“, wie sie sagt. Und seit die Elb-CDU vor einem Jahr das Zwei-Säulen-Modell aus Gymnasien und Stadtteilschule beschloss, führte sie wieder und wieder in einer Power-Point-Analyse vor, wo dies endet: nämlich bei der Spaltung in eine arme und eine reiche Schule – die Schule der bildungsfernen und der bildungsnahen Schichten.

Schulpolitik ist für die Mittfünfzigerin, die 2002 als Fraktionschefin die Nachfolge für Krista Sager antrat, eine Herzenssache. Ihr Mann ist Lehrer an der preisgekrönten Reformgesamtschule Max Brauer. Bürgerliche Medien nennen Goetsch „emotional“. Die Mutter eines 19-jährigen Sohnes hat keine Scheu, den Mütterblick auf Themen anzuwenden. Wenn es um gestresste Sechstklässler an Gymnasien geht, zum Beispiel. Politstrategen der CDU planen für sie die „harte Schule“ mit vollem Stundenplan und großen Klassen, die absichtlich unattraktiv ist, um die Schülerströme zur Stadtteilschule zu lenken. Goetsch lehnt solche Positionen als zynisch ab und hat bei ihrer Reform im Blick, dass auch Gymnasien fördern müssen. Sie dürften laut Goetsch weiter Gymnasium heißen und Latein als Profil haben, aber nicht mehr Schüler aussortieren. Gerade Jungs in der Pubertät würden „reihenweise scheitern“, mahnt sie seit Monaten unerbittlich.

Mit einer inneren Überzeugung, dass man glaubt, eher macht CDU-Bürgermeister Ole von Beust hier großzügige Kompromisse, als dass Christa Goetsch von ihrer Vision ablässt. KAIJA KUTTER