: Nazis mögen mehr Demokratie
Dass bei den anstehenden Kommunalwahlen in Schleswig-Holstein die Fünf-Prozent-Hürde entfallen soll, freut die kleinen Parteien. Besonders die rechtsextreme NPD hofft nun auf Mandate
Faktisch wird es in Schleswig-Holstein auch nach Streichung der Fünf-Prozent-Hürde eine Sperrklausel geben: In kleinen Gemeinden mit nur wenigen Sitzen im Gemeinderat werden Parteien auch künftig einen erheblichen Stimmanteil erringen müssen, um in der Versammlung vertreten zu sein.
Außer in Deutschlands nördlichstem Bundesland gibt es derzeit nur noch im Saarland und in Thüringen sowie in den Stadtstaaten Berlin, Hamburg und Bremen eine Fünf-Prozent-Hürde. Im Flächenland Rheinland-Pfalz gilt seit 1989 eine so genannte „Wahlzahl“ von 3,03 Prozent.
Der Kieler Landtag will den Gesetzentwurf zur Abschaffung der Fünf-Prozent-Klausel bereits am heutigen Freitag in zweiter Lesung beschließen. DPA
VON ANDREAS SPEIT
Das erste Werbematerial ist schon erstellt. Am Sonntag stellte die rechtsextreme NPD Schleswig-Holstein auf ihrem Landesparteitag in Steinburg ihre neue CD vor – Titel: „Hier ist der Schreck aller linken Spießer“. Rund drei Monate vor den Kommunalwahlen im nördlichsten Bundesland rief NPD-Bundeschef Udo Voigt die Seinen dazu auf, mit möglichst vielen Kandidaten in den Wahlkreisen anzutreten. Aufwind erhofften sich die Kameraden vom erwarteten Wegfall der Fünf-Prozent-Klausel.
Am Mittwoch war es so weit: Der Kieler Landtag brachte ein neues Gesetz zur Abschaffung der Sperrklausel bei Kommunalwahlen auf den Weg. Bereits am 13. Februar hatte das Bundesverfassungsgericht einer entsprechenden Klage von Grünen und der Linken stattgegeben. Unisono hatten sich die kleinen Parteien im Land – Grüne, Südschleswigscher Wählerverband (SSW), FDP und Linke – über den Karlsruher Beschluss gefreut – wie auch die NPD. Deren Landesverband erklärte noch am selben Tag, nun sei „ein Stück Demokratie zurückgekehrt“. Nun müssten die Wähler „nicht mehr ihre Wahlentscheidung davon abhängig machen“, ob „die favorisierte Partei eine Chance“ habe, die Hürde zu überspringen. NPD-Bundeschef Voigt sprach gar von einer „NPD-Hürde“ und drückte es in realen Zahlen aus: „Bei der Bundestagswahl wurden auf diese Weise rund 759.000 Stimmen für die Nationaldemokraten demokratisch entwertet, zuletzt in Niedersachsen rund 55.000 Stimmen.“ Der Zuspruch von rechts außen kommt indes weder für die Grünen noch SSW unerwartet. „Das war uns klar“, sagt etwa die grüne Vize-Landesvorsitzende Marlies Fritzen. Die Fünf-Prozent-Hürde habe allerdings einen erheblichen Eingriff in die Stimmengleichheit bedeutet.
In der Tat hatten die Karlsruher Richter erklärt, dass Wahlrechts- und Chancengleichheit nicht gegeben sei. Die Sperrklausel könne auch nicht „damit gerechtfertigt werden, dass sie dem Zwecke diene, verfassungsfeindliche oder (rechts-)extremistische Parteien von der Beteiligung an kommunalen Vertretungsorganen fernzuhalten“, so die Richter. Fritzen weit überdies darauf hin, dass die kommunalen Parlamente lediglich „mit verwaltenden Tätigkeiten“ betraut seien: „Diese werden auch durch weitere Organe kontrolliert.“ Bei Bundes- und Landtagswahlen sei die Sachlage anders, weshalb Fritzen die Hürde „da nicht abgeschafft“ sehen möchte. Allerdings wirke die Sperrklausel auch keinem rechtsextremen Gedankengut entgegen.
Der Grünen-Fraktionschef Karl-Martin Henschel erklärt: „Wir dürfen im Kampf gegen den Rechtsextremismus nicht die Demokratie selbst beschädigen.“ Das Problem beginne nicht in den Rathäusern, sondern in den Köpfen. Auch Lars Erik Bethge vom SSW sagt, die Existenz der NPD dürfte nicht dazu führen, „weniger Demokratie zu wagen“. Eine politische Auseinandersetzung, die sich gegen die rechtsextremen und rassistischen Einstellungen im Alltag richtet, müsste verstärkt geführt werden, so Bethge: „Das würde die NPD dann auch Stimmen kosten.“
Einen Antrag zur Aufhebung der seit 1959 gültigen Klausel hatten die Grünen schon vor den Gang nach Karlsruhe im Landtag eingebracht. Die Große Koalition lehnte ab – nicht zuletzt aus Sorge vor „Weimarer Verhältnissen“, dass also Kleinstparteien den Parlamentarismus lähmen könnten. Nun verabschiedeten die Landtagsparteien einen fraktionsübergreifenden Gesetzentwurf. Noch vor der Kommunalwahl müsse das Gesetz in Kraft treten, sagt der CDU-Fraktionsvorsitzender Johann Wadephul: „Damit die Bürger wissen, was ihre Stimme wert ist.“ Auch müsse die Reform die Bereitschaft aller Parteien auf Kompromisse erhöhen, so SPD-Fraktionschef Ralf Stegner.
Der NPD-Landesverband verkündet derweil, dass die „etablierten Parteien (…) sich damit abfinden müssen, dass auch im schleswig-holsteinischen Parlament Vertreter der NPD einziehen werden“. Nach eigenen Angaben will die Partei in etlichen Kreisen antreten. Bei der Landratswahl in Nordfriesland hatte ihr Kandidat Arne Kaehne im vergangenen Jahr 2,33 Prozent erzielt– ein „Achtungserfolg“, so die NPD. Voigts Devise wird der Landesverband versuchen umzusetzen: „Bürgernähe zeigen“ und „auf kommunaler Ebene die Ausgrenzung unterlaufen“.