: Was nach der Idylle kommt
Die Autorenbuchhandlung in der Charlottenburger Carmerstraße bekommt neue Eigentümer: die Fürst & Iven GmbH. Das Konzept und die Buchhändler bleiben. Letztere versprechen: „Wir werden keine normale Buchhandlung werden“
Der Werbespruch lautet: „Die Buchhandlung, die den Autoren gehört“. Das klingt vermessen, ist es aber nicht. Die Autorenbuchhandlung unweit des Savignyplatzes, 1976 als zweite von drei Autorenbuchhandlungen in Deutschland gegründet, gehört tatsächlich den Schreibenden. Rund hundert Autorinnen und Autoren zahlten seinerzeit, einem Aufruf von Günter Grass folgend, je 1.000 Mark. Heute sind unter den Einlegern Prominente wie Elfriede Jelinek, Urs Widmer, Loriot oder Ulla Berkéwicz und weniger Prominente wie Günter Herburger, Paul Wühr oder Rudolf Lorenzen. Viele, etwa Oscar Pastior, Heinrich Böll, Ernst Jandl, Robert Gernhardt oder Peter Weiss, sind inzwischen verstorben. Welchen Vorteil hatte es für sie alle, gleich dreimal in zehn Jahren einen vierstelligen Betrag zu zahlen, mit dessen Hilfe sich eine Handvoll Buchhändlerinnen und Buchhändler den Traum vom eigenen Laden verwirklichen konnten?
Die Autorenbuchhandlungen verpflichteten sich, die Bücher eines jeden Autoren vollständig am Lager zu haben, ja, sie nahmen ihre Aufgabe so ernst, dass sie sogar Restexemplare einer vergriffen Auflage beim Verlag aufkauften. Das gilt auch für die Berliner Autorenbuchhandlung, die nebenher auch die Expressionisten pflegte und die Lyrik. Sie darf sich rühmen, eines der größten, wenn nicht das größte Lyriksortiment Deutschlands zu haben. Ansonsten hat sie einen belletristischen Schwerpunkt, Koch- oder Gartenbücher wird man hier in jedem Fall vergeblich suchen.
Wie Thomas Kühne, einer der Mitbegründer, erzählt, lebte man hier einst in guter Nachbarschaft. „Wer in diese Gegend kam und ein Buch suchte, konnte sich sicher sein, dass es in einer der über zwanzig Buchhandlungen hier zu finden war.“ Um die Ecke, am Savignyplatz, war eine politische Buchhandlung, in der Knesebeck fand man die Romanische Buchhandlung, eine kommunistische und eine feministische Buchhandlung. Man findet dort noch immer ein Modernes Antiquariat und in den S-Bahnbögen den „Bücherbogen“. Als es die alte Kiepert-Buchhandlung noch gab, gab es auch zu ihr gute Beziehungen. Kurz nach der Eröffnung kam Robert Kiepert jun., der damals schon der „alte Kiepert“ war, vorbei, schaute sich um, nickte und sagte freundlich: „Wenn ihr Probleme mit der Buchhaltung habt, meldet Euch bei uns.“
Diese Idylle herrschte lange Jahre vor, doch die Autorenbuchhändler und -händlerinnen konnten nicht verhindern, dass das Buchmekka, das die Gegend um den Savignyplatz einmal war, langsam schwand. Zugleich waren sie keine guten Werber in eigener Sache. Es gelang ihnen nicht, die jüngere Autorengeneration in ihre Räume zu locken, und so konnte man zwar ab und an Enzensberger dort antreffen, nicht aber Biller, Dückers oder Franck. Auch die Bilanzen waren nicht so, dass die Buchhandlung neue MitarbeiterInnen ausbilden konnte.
Nun aber scheint eine Nachfolgeregelung gefunden. Die Fürst & Iven GmbH, die schon die Buchhandlungen in den beiden Standorten der Akademie der Künste betreibt, steigt in das Geschäft ein.
Zunächst waren die Freunde der Buchhandlung aufgeschreckt, hieß es doch, dass die neuen Anteilseigener „Regalleitsysteme“ installieren würden und „tote Titel“ aussortieren wollten, doch Thomas Kühne beruhigt. Seine Kolleginnen Helma von Kieseritzky, Ulla Biesenkamp und er würden weiter im Geschäft verbleiben, auch der Umbau werde keinen radikalen Einschnitt ins Sortiment bedeuten. „Wir werden keine normale Buchhandlung werden.“
Die neuen Eigentümer wollten die Vorteile der Autorenbuchhandlung in den anderen Filialen nutzen, zugleich wollen sie die Geschäftsführung vereinfachen. Es wird also auch weiterhin möglich sein, in der Autorenbuchhandlung Bücher zu finden, von denen man bis dato nicht einmal ahnte, dass es sie geben könnte. JÖRG SUNDERMEIER
Autorenbuchhandlung, Carmerstraße 10, Mo–Fr 10–20 Uhr, Sa 10–16 Uhr