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Archiv-Artikel

SPD setzt auf Risiko

VON HEIKE HAARHOFF UND ASTRID GEISLER

Gut einen Monat nach der Landtagswahl hat die SPD in Hessen die Weichen für eine rot-grüne Minderheitsregierung gestellt. Sie werde das Wahlversprechen, nicht mit den Linken zu kooperieren, womöglich nicht halten können, sagte die SPD-Landeschefin Andrea Ypsilanti nach einer Sitzung des Landesvorstands am Dienstag in Wiesbaden. Vorstand und Fraktion hätten einstimmig beschlossen, zunächst Koalitionsgespräche mit den Grünen zu führen. Bei deren Erfolg wolle sie auch mit der Linken reden. Ihr Ziel sei es, als Ministerpräsidentin die Regierungsverantwortung zu übernehmen. „Dass ein solcher neuer Weg nicht gefahrlos ist, das ist klar“, sagte Ypsilanti.

In der SPD hatte die Frage nach dem künftigen Kurs in Hessen in den vergangenen Tagen heftigen Streit ausgelöst. Gegner der rot-grünen Minderheitsoption in Hessen warnten vor den Risiken dieses Modells. Auch linke SPDler fürchten, Ypsilanti könne bereits bei der Wahl zur Ministerpräsidentin durchfallen – unter Umständen auch, weil innerparteiliche Gegner in der geheimen Abstimmung gegen sie votieren könnten. Die rot-rot-grüne Mehrheit ist so knapp, dass eine fehlende Stimme Ypsilantis Aus bedeuten würde. Außerdem gilt die Fraktion der Linken nicht allen als zuverlässiger Partner. Möglicherweise werde diese Regierung nicht lange durchhalten und den Wahlerfolg der SPD zunichtemachen, unkten führende Berliner SPDler. Dann beschädige man das im Westen unerprobte rot-rot-grüne Modell mit einem Fehlstart.

Ypsilanti hingegen argumentierte, die SPD habe den Wählerauftrag, eine gerechtere Bildungspolitik, die Abschaffung der Studiengebühren und die Energiewende zu ermöglichen. In der Entscheidungsfindung seien ihr diese Inhalte wichtiger gewesen als der nun drohende Bruch des Wahlversprechens, nicht mit der Linken zusammenzuarbeiten. Die künftige Regierung werde sich wechselnde Mehrheiten suchen – mit der FDP, der CDU oder der Linken. „Sie können mir glauben, dass mir das alles nicht leichtfällt“, sagte Ypsilanti mit versteinerter Miene. Zu den Warnungen vor diesem Weg sagte die SPD-Frau: „Diese Bedenken kann man nicht an jeder Stelle ausräumen.“

Trotz Ypsilantis Richtungsentscheidung scheint der innerparteiliche Kurskonflikt in der SPD nicht zu Ende. Der Sprecher des konservativen „Seeheimer Kreises“, Klaas Hübner, wandte sich prompt gegen die verkündete Strategie in Hessen. „Ich würde das für einen Fehler halten“, der die Glaubwürdigkeit der SPD gefährde, sagte er. Der SPD-Linke Fraktionsvize Ludwig Stiegler stützte dagegen Ypsilanti. Die hessische Sozialdemokratie habe sich genügend um eine andere Koalition bemüht. Fraktionschef Peter Struck vermied eine Bewertung. Er verwies auf den Beschluss der SPD-Führung, wonach die Landesverbände selbst über eine Zusammenarbeit mit der Linkspartei entschieden.

Trotz der Vorentscheidung für eine Minderheitsregierung kündigte die hessische SPD-Spitze an, am heutigen Mittwoch dennoch Gespräche mit der hessischen CDU zu führen. Auch die Tür zur FDP stehe weiter offen, beteuerte Ypsilanti.

Die Chancen für diese Optionen werden allerdings von allen Seiten als gering eingeschätzt. „Der Wortbruch hat jetzt einen Namen, und der heißt Ypsilanti“, verkündete CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla postwendend in Berlin. „Das ist ein Vorgang, der schwerwiegend ist.“

Der Berliner Fraktionschef der Linkspartei, Gregor Gysi, versprach Ypsilanti die volle Unterstützung bei der Wahl zur Ministerpräsidentin: „Für die 6 Stimmen, die sie braucht, gebe ich ihr die Garantie.“ Ypsilantis eigentliches Problem sei ihre eigene Fraktion, urteilte Gysi. Der Grünen-Landesvorsitzende Tarek Al-Wazir begrüßte den baldigen Beginn von Verhandlungen. Die Gespräche mit den Grünen sollen noch diese Woche aufgenommen werden.