Der privatisierte Krieg

Je instabiler die Sicherheitslage im Irak, desto kräftiger blühen die Geschäfte von Blackwater. Jeremy Scahill analysiert präzise das fatale Wirken der Söldnerfirma und ihrer Auftraggeber

VON RUDOLF WALTHER

Verteidigungsminister Donald Rumsfeld sprach klipp und klar von „einem Feind, der die Sicherheit der Vereinigten Staaten“ bedroht. Das war am 10. September 2001, einen Tag vor den Angriffen auf die Türme des World Trade Center in New York und auf das Pentagon in Washington. Er meinte freilich nicht Ussama Bin Laden oder russische Interkontinentalraketen, sondern „die Bürokraten im Pentagon“, die mit „brutaler Entschlossenheit freies Denken“ ersticken würden. Was Rumsfeld mit „freiem Denken“ meinte, wurde schnell klar. Er plädierte, so der Journalist Jeremy Scahill, für „eine stärkere Einbindung der Privatwirtschaft in die amerikanische Kriegsführung“.

Wie erfolgreich Rumsfeld und sein Nachfolger darin waren, beschreibt Scahill in seinem sorgfältig recherchierten und informativen Buch, in dessen Mittelpunkt der private Militärdienstleister Blackwater steht. Die Firma gründete der dem evangelikalen Fundamentalismus zuneigende Erik Prince 1996, und seither bietet er Schießübungen für Wachpersonal an.

Der rasante Aufstieg begann, nachdem Blackwater im Februar 2000 als Staatslieferant zugelassen wurde. Im Nachhinein erscheint dies wie eine Lizenz zum Gelddrucken. In den ersten fünf Jahren bekam die Firma Aufträge im Wert von 125.000 Dollar. In den Jahren 2004 bis 2006 belief sich das Auftragsvolumen für private Militärfirmen allein im Irak auf 5 bis 6 Milliarden Dollar, woran außer Blackwater auch andere „Private Military Companies“ wie DynCorp, Aegis, Armor Group oder Control Risk partizipierten. Blackwater war der unbestrittene Branchenführer.

Im August 2003 erhielt das Unternehmen den Auftrag, Botschafter Paul Bremer, den Chef der provisorischen Übergangsverwaltung im Irak, zu beschützen. Ohne dass das Vorhaben ausgeschrieben worden wäre, kassierte die Firma dafür 27,7 Millionen Dollar. „Die Privatisierung des Personenschutzes für Bremer markierte für die Söldnerbranche den entscheidenden Wendepunkt“, schreibt Scahill. Trotz der immensen Kosten von 600 bis 900 Dollar pro Mann und Tag – das ist etwa so viel, wie ein regulärer Soldat in einer Woche verdient – stieg die Söldnerzahl schnell an. Im Moment gibt es im Irak schätzungsweise 100.000 Söldner, allein bei den Briten kommen auf 7.200 Soldaten 21.000 Söldner. Im ersten Irakkrieg von 1991 kamen bei den Amerikanern noch 60 Soldaten auf einen Söldner, heute ist das Verhältnis drei zu eins.

Mit der Entlassung praktisch aller irakischen Staatsbeamten, Polizisten, Offiziere und Soldaten schuf Bremer im Irak ein Sicherheitsvakuum, in dem sich schiitische wie sunnitische Extremisten zu Terrorbanden formierten. Aber es waren auch die in Rambo-Manier auftretenden Prätorianergarden der privaten Militärdienstleister, die den Widerstand gegen die Besatzungsarmeen provozierten. Bei einer Vergeltungsaktion für die Ermordung und Schändung von vier Blackwater-Mitarbeitern am 31. März 2004 in Falludscha wurden hunderte Iraker, darunter unbewaffnete Frauen und Kinder, getötet. Für die Söldner hatte das keinerlei strafrechtliche Konsequenzen, denn das Dekret Nr. 17 schützt sie vor Strafverfolgung. Interne Untersuchungen blieben folgenlos.

Die liberale Presse und einige Demokraten protestierten zwar gegen die zunehmende „Auslagerung und Privatisierung unmittelbarer Sicherheitsaufgaben“, aber die Regierung blieb bei ihrer verschleiernden Terminologie und nannte die Söldner weiterhin „zivile Hilfskräfte“. Diese heuert Blackwater bei amerikanischen Eliteeinheiten an, aber auch zu Dumpinglöhnen in Chile, Kolumbien und Südafrika oder bei Einheiten anderer Staaten, die Soldaten in den Irakkrieg schickten.

Je instabiler die Sicherheitslage im Irak, desto kräftiger blühen die Geschäfte von Blackwater und anderen Militärfirmen: Wenn 350 Bauarbeiter von 700 Wachleuten beschützt werden müssen, spricht die New York Times von „gewaltigen Marktkräften“, die freigesetzt würden.

Das ist freilich nur die eine Seite. Die Kriegsführung mit Söldnern ist um ein Vielfaches teurer als jene mit regulären Einheiten. Die Teilprivatisierung des Krieges senkt jedoch die politischen Kosten, denn die amerikanische Regierung entledigt sich auf diese Weise der Legitimierung ihres Handelns vor der Öffentlichkeit.

Die völlig unzureichende Information des Publikums durch die großen und populären Fernsehkanäle kommt der Regierung entgegen. Die 647 im Irakkrieg bislang getöteten Söldner gehen nicht einmal in die Statistik der Kriegsopfer ein. Scahills gut lesbares Buch skandalisiert nicht, sondern analysiert die Abgründe und Konsequenzen der aberwitzigen amerikanischen Kriegsführung.

Jeremy Scahill: „Blackwater. Der Aufstieg der mächtigsten Privatarmee der Welt“. Aus dem Englischen von Bernhard Jendricke und Rita Seuss. Kollektiv Druck-Reif, Verlag Antje Kunstmann, München 2008, 351 Seiten, 22 Euro