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Archiv-Artikel

Einmal ins Nullwasser tauchen

Eine lange Expedition zum Nullpunkt, um dort Nichts in der Tiefe zu versenken: Die Ausstellung „Zeroing“ dokumentiert die ungewöhnliche Reise einer Berliner Künstlergruppe an den Ort, wo sich der Äquator und der Nullmeridian treffen

VON MAREIKE BARMEYER

600 Kilometer südlich der Küste Ghanas, im Golf von Guinea auf hoher See, stecken vier Personen auf einem Schlauchboot mit Außenbordmotor konzentriert die Köpfe zusammen. Auf der nicht weit entfernten „Tropic Sun“ fragt sich ein Priester, ob die vier beten. Bei den vier Personen im Schlauchboot handelt es sich um FMSW, eine Künstlergruppe aus Berlin. Lina Faller, Marcel Mieth, Thomas Stüssi und Susanne Weck beten aber nicht, sondern sie sind über ein GPS-Gerät gebeugt. Sie suchen genau den Punkt, den sie mit „Nichts“ markieren wollen. Es ist der Schnittpunkt des Null-Meridians von Greenwich und dem Äquator: der geografische Nullpunkt (die taz berichtete am 11. 6. 07).

Der Kunstfonds Bonn und der Deutsche Akademische Austauschdienst trugen einen Großteil der Kosten für die Expedition gegen Null. In der Galerie Mars kann man die Dokumentation der Reise nun anschauen. Am 16. Juni 2007, um acht Minuten nach acht, fünf Tage später als ursprünglich geplant, wurde eine Stahlkugel mit 25 Zentimeter Durchmesser, die ein Vakuum umschließt, die größtmögliche Annäherung an das Nichts, von FMSW versenkt. Unheimliche 20 Minuten brauchte sie, um 5.000 Meter tief bis auf den Meeresgrund zu sinken. „Die Welt vom Nullpunkt aus gesehen“ heißt das Rundbild in der Galerie, ein Panoramablick auf Wasser und Horizont vom Schlauchboot aus gesehen. Außerdem gibt es Filme zu sehen, die die Expedition in bewegten Bildern dokumentieren. Die Besucher sollen ein Gefühl dafür bekommen, wie es ist, sich dem gedachten Nullpunkt langsam anzunähern. „Wir wollen die verschiedenen Zeitaspekte, die wir erlebt haben, dokumentieren“, erzählt Lina Faller.

Um Mitternacht hatten die vier Künstler mit der „Tropic Sun“ nach 34 Stunden Fahrt den Nullpunkt erreicht. Die „Tropic Sun“ ist ein Versorgungsschiff für Bohrinseln, das sie eigens für die Reise zum Nullpunkt in Tema, dem größten Hafen Ghanas, gechartert hatten. Bei Sonnenaufgang stiegen FMSW in ein Schlauchboot, um sich dem Schnittpunkt von Nullmeridian und Äquator so genau wie möglich anzunähern.

„Dass wir es wirklich geschafft haben, steht über allem“, sagt Marcel Mieth, und das erscheint tatsächlich erstaunlich, wenn man den Geschichten der Künstlergruppe lauscht. Überhaupt ein Schiff zu finden, das sie von Tema zum Nullpunkt, also auf hohe See, brachte, grenzte beinahe an eine Unmöglichkeit. Die Reise zum Nullpunkt hat so durchaus etwas Spirituelles. Nicht nur für die vier Künstler, die sich auf ihrer Expedition gegen Null schon mehr als einen Monat langsam der Null angenähert hatten – drei Wochen lang waren sie auf einem Containerschiff von Hamburg über Tilbury, Antwerpen, Dacca, Benin und Lagos nach Tema gereist – sondern mindestens auch für zwei weitere Mitreisende an Bord der „Tropic Sun“: ein Priester und sein Schüler, die sich selbst auf diese Reise „zum Mittelpunkt der Welt“ eingeladen haben. „The centre of the world“ so nennt der Priester den Nullpunkt in seiner spontanen Predigt nach der Markierung desselben. Danach springt jeder an Bord einmal ins Wasser. Plastikflaschen werden von der Mannschaft mit dem Wasser gefüllt. Auch FMSW haben zwei Kanister mitgebracht, in die sie am Nullpunkt Wasser geschöpft haben, sie nennen es „Nullwasser“.

Als sie nach 14 Tagen Suche die „Tropic Sun“ gefunden hatten, sind der Priester und sein Schüler einfach mitgefahren. „Wir haben dem Priester gesagt, worum es uns geht“, erzählt Susanne Weck, „aber der hatte seinen eigenen Plan: dass Gott die Welt gemacht hat und damit auch die Mitte der Welt und das wir jetzt da sind, vor Afrika.“ Auch bei der anfänglich skeptischen Mannschaft sei irgendwann dieser Geist übergesprungen. „Alle waren zu Schluss begeistert und wollten dieses Nullwasser, erzählt Marcel Mieth, „und dann war es doch plötzlich so ein magischer Ort, auch durch diese Predigt.“

Auch dass sie es geschafft haben, das Nullwasser durch den Zoll im Flugzeug nach Deutschland zu bringen, scheint den vieren noch wie ein Wunder. Darum gibt es das Nullwasser in einer limitierten Edition während der Ausstellung in der Galerie zu kaufen. Wer die ausführlichen Geschichten dieser Expedition hören und sehen will, kann dies bei einem Vortrag am 9. 3. um 17 Uhr in der Galerie tun.

Mehr Informationen: www.fmsw.net. Die Ausstellung ist in der Galerie Mars in der Köpenicker Str. 147, Kreuzberg noch bis zum 14. März zu sehen. Am Sonntag um 17 Uhr werden die Künstler von der Expedition berichten