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Archiv-Artikel

HAMBURGER KOALITION KÖNNTE UNERWARTET GRÜNES GESICHT ZEIGEN Gefühlter Rechtsrutsch

Im selben Augenblick, da in Hessen die Aussicht auf eine rot-rot-grüne Zusammenarbeit zerplatzt, wird in Hamburg eine schwarz-grüne Koalition eingetütet. Ohne nennenswerte Debatte oder gar Widerstand haben die Hamburger Grünen Koalitionsverhandlungen mit der Union Ole von Beusts zugestimmt. Wenn die grünen Verhandlerinnen ihren Ohren trauen können, hat die CDU schon in den Sondierungsgesprächen mehr Zugeständnisse gemacht, als man von der SPD hätte erwarten können. Damit wäre schon einmal eine auch von der Bundesspitze mehrfach formulierte Bedingung erfüllt: In Schwarz-Grün scheint mehr Grün drin zu sein als in Rot-Grün.

Dabei ist es von einer besonderen Ironie, dass die Grünen die Hamburger CDU zu einer Abschaffung der Studiengebühren bewegen könnten. Schließlich durfte man sich noch vor wenigen Jahren von den gleichen Grünen in Berlin die jeweils jüngste Hans-Olaf-Henkel-Argumentation pro Studiengebühren anhören. Das blieb damals wegen Unzuständigkeit folgenlos. Möglicherweise verweist diese kleine zeithistorische Wendung aber auch auf ein künftiges Muster. Weil auch und gerade in einer funktionierenden Koalition eine Abgrenzung zur CDU notwendig sein wird, könnten selbst die Hamburger Realas plötzlich ein ungewohnt soziales Profil gewinnen. Genaueres hängt freilich davon ab, ob sie jenseits der Bildung überhaupt Sozialpolitik machen wollen.

Dennoch gerät mit dem hessischen Desaster der Aufbruch der Grünen in eine neue multi-koalitionäre Zukunft in eine leichte Schieflage. Rot-rot-grüne Bündnisse stehen offensichtlich bislang unter keinem guten Stern. Das ist zwar nicht die Schuld der Grünen. Doch wird der Trend zu Schwarz-Grün, wenn Rot-Rot-Grün nicht klappt, bei der Klientel als Rechtsrutsch ankommen. Das kostet nicht nur Stimmen, sondern bringt auch den Versuch der personellen Machtbalance zwischen linkem und rechtem Flügel, wie er sich im frisch aufgestellten Spitzenkandidaten-Duo Künast/Trittin abbildet, wieder durcheinander.

Ob mit oder ohne schwarz-grüne Optionen – stets aufs Neue geraten die Grünen in den Zerstörungsstrudel der SPD. ULRIKE WINKELMANN