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Archiv-Artikel

Car-Sharing bleibt in der Nische

Erst ein Bruchteil des Potenzials erschlossen. Verkehrsexperten fordern taxiähnlichen Status für Gemeinschaftsautos

FREIBURG taz ■ Car-Sharing in Deutschland boomt, aber gemessen am Potenzial sind die Zahlen noch immer bescheiden. Im vergangenen Jahr wuchs die Zahl der Nutzer von Gemeinschaftsfahrzeugen um gut 22 Prozent auf 116.000, wie der Bundesverband Carsharing (bcs) jetzt mitteilte. Auch die Anzahl der bundesweit bereitstehenden Fahrzeuge stieg von 2.900 im Vorjahr auf 3.200 zum Jahresanfang 2008. Damit kommen auf jedes Fahrzeug im Durchschnitt 36 Autofahrer. Trotz des deutlichen Wachstums der selbstorganisierten Autovermieter ist noch immer erst ein Bruchteil des Marktes erschlossen. Das zeigt ein Vergleich mit der Schweiz, wo bereits rund 80.000 Menschen Gemeinschaftsfahrzeuge nutzen – 8-mal so viel gemessen an der Bevölkerungszahl wie hierzulande.

Das größte Hemmnis für das Autoteilen in Deutschland ist aus Sicht des Verkehrswissenschaftlers Heiner Monheim die Gesetzgebung: „Carsharing muss endlich einen taxiähnlichen Status bekommen“, sagt der Professor der Universität Trier. Bislang müssten sich die Fahrzeuge noch „in den Hinterhöfen verstecken“, weil es kein Gesetz gibt, das die Ausweisung öffentlicher Stellplätze vorsieht. So wie es spezielle Taxistellplätze gibt, müsste es auch Plätze für Gemeinschaftsautos geben. Ein entsprechender Gesetzentwurf liegt zwar seit vergangenem Jahr vor, doch wegen eines Vetos des Bundeswirtschaftsministeriums kommt die Novelle nicht voran.

Dass trotz fehlender Unterstützung durch den Gesetzgeber das Carsharing immer beliebter wird, hat mehrere Gründe. „Die Branche wurde in den letzten Jahren deutlich professionalisiert“, sagt Monheim. Immer mehr Autofahrer begriffen das Carsharing inzwischen als vollwertige Mobilitätsalternative. Getrieben werde dieser Trend auch durch engere Haushaltsbudgets: Der Unterhalt eines eigenen Autos ist in der Regel teurer als eine Monatskarte des öffentlichen Nahverkehrs und die gelegentliche Buchung eines Carsharing-Fahrzeugs. Als Richtwert gilt eine jährliche Kilometerzahl von rund 10.000 Kilometer – wer weniger fährt, kommt mit Carsharing billiger weg.

Und so erkennen auch zunehmend gewerbliche Nutzer den Vorteil des Carsharings. Der Anteil der Kunden aus dem gewerblichen Sektor beträgt laut bcs inzwischen 23 Prozent. „Viele Gewerbetreibende, die ihren eigenen Fuhrpark nur unzureichend ausnutzen, greifen auf die stundenweise Pkw-Nutzung zu“, sagt bcs-Geschäftsführer Willi Loose. An den steigenden Zahlen erkenne man nun, dass die Unternehmen „von der Professionalität der Carsharing-Angebote überzeugt“ seien. BERNWARD JANZING