: Postkoloniale Heimatkunde
Im September erkundete das forschende Kunstprojekt „wandsbektransformance“ die Gegenwart des Kolonialen in Hamburgs Nordosten und intervenierte im Stadtraum. Bis Anfang April dokumentiert eine Ausstellung die Ergebnisse
Helbingtwiete, Kattunbleiche, Schimmelmannallee. Im Wandsbeker Stadtbild ist die koloniale Vergangenheit nicht nur in den Straßennamen allgegenwärtig. Seit September 2006 wird der Sklavenhändler Schimmelmann sogar mit einer Büste vor dem Bezirksamt „geehrt“.
Gründe genug für das von der Künstlerin Jokinen initiierte forschende Kunstprojekt „wandsbektransformance“, sich im Herbst letzten Jahres daran zu machen, den materiellen und mentalen Spuren von Kolonialraub, Sklaven- und Zwangsarbeit im Hamburger Nordosten sowie gegenwärtigen Prozessen und Gedenkkulturen nachzugehen – und Zeichen zu setzen. Kunstschaffende aus den ehemaligen Kolonien und Hamburg, StadtkartiererInnen, HistorikerInnen, Schulklassen und BewohnerInnen des Stadtteils ergründen in Begehungen und Dialogen, Interventionen und Installationen die Bedeutung des Stadtraumes im globalen Gefüge und ihre Beziehung zu diesem Ort.
Seit Anfang dieses Monats zeigt „wandsbektransformance“ nun eine Ausstellung im Kunsthaus Hamburg. Darin werden die künstlerischen Interventionen dokumentiert – und sollen weiter transformiert werden. Begleitend zur Ausstellung gibt es Filme, Lesungen, Vorträge, Podiumsdiskussionen und Präsentationen.
Heute Abend beschäftigt sich Jokinen gemeinsam mit dem Historiker Gordon Uhlmann – anhand der wechselnden Orte und Funktionen des Wissmann-Denkmals seit 1908 – mit dem Bildhaften des kolonialen Monuments und möglichen und tatsächlichen Symbolikverschiebungen. Welche künstlerischen Methoden sind in der Lage, einen temporären öffentlichen Raum und eine Situation für Dissens und Debatte herzustellen?
Morgen gibt es noch einmal die Möglichkeit, am Stadtteilrundgang „Wandsbek postkolonial – Sklaven, Schnaps und Schokolade“ teilzunehmen. Beginnend an der Schimmelmann-Büste folgt man gemeinsam mit dem Historiker und Geografen Heiko Möhle – Geschäftsführer des Eine Welt Netzwerks und Autor der Bücher „Branntwein, Bibeln und Bananen. Hamburg und der deutsche Kolonialismus in Afrika – eine Spurensuche“ und „Zwischen Völkerschau und Kolonialinstitut. AfrikanerInnen im kolonialen Hamburg“ – den Spuren des „Schimmelmann’schen Wirtschaftskreislaufes“, stößt auf weitere Zeugnisse der kolonialen Vergangenheit und spürt der Frage nach, wie mit dem „kolonialen Erbe“ heute umgegangen wird. ROBERT MATTHIES
Ausstellung „wandsbektransformance“ bis zum 6. April, Kunsthaus, Klosterwall 15, Öffnungszeiten: Di–So, 11–18 Uhr. Sonntags um 15 Uhr führen die KünstlerInnen durch die Ausstellung. Vortrag „Blicke umkehren: Das Denkmalensemble des ‚Afrika-Forschers‘ und Kolonialgouverneurs Wissmann als postkoloniales Debatten-Mahnmal im öffentlichen Raum“: heute, 18 Uhr, Kunsthaus. Stadtteilrundgang „Wandsbek postkolonial“: Fr, 14. 3., 17 Uhr, ab Christuskirche / Wandsbek-Markt Infos und vollständiges Programm im Internet: www.wandsbektransformance.de