: Kiel beendet den Klimawandel
Schleswig-Holstein will mitmischen beim Abscheiden und Wegsperren des Klimagases Kohlendioxid: Zusammen mit dem Energiekonzern RWE Dea sucht das Land jetzt nach geeigneten Lagerstätten. Die Zuversicht ist nicht einhellig
Das Übel einfach unter die Erde sperren: „Carbon Capture and Storage“ (CCS) heißt das Verfahren, mit dem der Klimakiller Kohlendioxid (CO2) abgeschieden und gespeichert werden soll. Erprobt wird das zurzeit weltweit – und Schleswig-Holstein will dabei mitspielen: Am Mittwoch stellten Wissenschaftsminister Dietrich Austermann und Umweltminister Christian von Boetticher ein Projekt vor, das das Land gemeinsam mit dem Energiekonzern RWE Dea startet.
In drei Gebieten im Land wird RWE untersuchen, ob hier CO2 in salzwasserhaltigen Gesteinsschichten, so genannte Aquifere, eingelagert werden kann: im Kreis Nordfriesland, in Ostholstein und in der Nordsee. Sind die Ergebnisse gut, könnte ein solcher Speicher gebaut werden. Rund 60 Millionen Euro würde RWE dafür investieren, bis zu 20 Arbeitsplätzen könnten entstehen.
Die Suche nach dem optimalen Gebiet wird wissenschaftlich begleitet. Schon im vergangenen Jahr hatten die Universität Kiel und das Institut für Meereswissenschaften Geomar 25 Millionen Euro Fördermittel erhalten, um die Chancen der CO2-Speicherung zu erforschen.
Bis das Verfahren eingesetzt werden kann, dürfte es noch Jahre dauern. Dann aber solle es helfen, den Ausstoß der schleswig-holsteinischen Kohlekraftwerke in der Klima-Bilanz zu neutralisieren, sagte Austermann gestern. Und dafür besteht Bedarf: Im Land sind neue Kohlekraftwerke geplant, etwa in Brunsbüttel (taz berichtete). Und so kam Austermann stolz zu dem Schluss: „Schleswig-Holstein könnte als optimaler Standort betrachtet werden.“
Das sehen andere Studien anders: Das Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie hat in einem Ende 2007 erschienenen Gutachten im Auftrag des Bundesumweltministeriums festgestellt, dass in Deutschland die Aquifere zwar die größten Kapazitäten für die CO2-Speicherung bieten. Doch die meisten dieser Gebiete liegen in Niedersachsen – nicht in Schleswig-Holstein. Besser geeignet seien ausgeförderte Gasfelder, heißt es weiter. Gegen „saline Formationen“ sprechen laut der Wuppertaler Studie drei Gründe: Dort sei die Speicherung verhältnismäßig teuer, vorhandenes Tiefenwasser müsse erst verdrängt werden, und es bestehe die Gefahr von Lecks. Vor allem die Ablagerung im Meer hält das Institut für bedenklich, da das Meeresökosystem viel zu wenig bekannt sei. Unklar sei auch, wie sich CO2 überhaupt verhalte, wenn es durch Wasser gepumpt werde. „Aufgrund dessen ist eine Folgenabschätzung nur sehr unsicher durchführbar“, heißt es in dem Gutachten.
Auch im eigenen Land gibt es Widerstand gegen die Methode. So sprach der energiepolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Olaf Schulze, von einer „Sackgasse“. Klimapolitisch könne man sich „den Neubau von Kohlekraftwerken nicht mehr leisten“, daher solle das Wirtschaftsministerium lieber in Techniken rund um die Windenergie investieren. Auch Detlef Matthiessen (Grüne) erklärte: „Die CO2-Abscheidung dient lediglich der Legitimation, Kohlekraftwerke zu bauen.“ ESTHER GEISSLINGER