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Archiv-Artikel

ai: Keine Auslieferung trotz Asyl

Gutachten für die Menschenrechtsorganisation kritisiert, dass Asylberechtigte ausgeliefert werden können, wenn der Verfolgerstaat verspricht, nicht zu foltern

FREIBURG taz ■ Wer in Deutschland Asyl bekommen hat, soll nicht an den Verfolgerstaat ausgeliefert werden können – auch wenn dieser wohlklingende Zusicherungen macht. Das fordert die Menschenrechtsorganisation amnesty international (ai). Die Organisation hält eine anderslautende Bestimmung des deutschen Asylrechts für verfassungswidrig und beruft sich dabei auf ein Gutachten, das der taz vorliegt und heute in Berlin vorgestellt wird.

Auf den ersten Blick klingt die ai-Forderung wie eine Selbstverständlichkeit. Doch tatsächlich ist die Asylanerkennung im Auslieferungsverfahren nicht verbindlich. Dies besagt Paragraf 4 des Asylverfahrensgesetzes. Immer wieder fordert deshalb zum Beispiel die Türkei die Auslieferung von asylberechtigten Anhängern der kurdischen PKK, um sie in ihrer Heimat wegen Gewalttaten vor Gericht zu stellen oder entsprechende Strafurteile zu vollstrecken. Nach türkischen Medienberichten, auf die ai verweist, existiert eine Liste von rund 60 Personen, die aus Deutschland ausgeliefert werden sollen.

Die Türkei sichert in solchen Fällen zu, dass es nur um die Ahndung von generell strafbaren kriminellen Taten gehe, nicht aber um politische Verfolgung. Für Rechtsprofessor Otto Lagodny sind solche Zusicherungen jedoch „völlig ungeeignet, die einmal angenommene politische Verfolgung wieder auszuschließen“. Warum soll bei einem Staat auf die Zusicherung vertraut werden, er werde die Menschenrechte respektieren, fragt Lagodny in seinem Gutachten, wenn dem betroffenen Ausländer doch gerade deshalb Schutz gewährt wird, weil ihm von diesem Staat Gefahr droht.

Auch wenn ein Folterstaat im konkreten Fall zusichert, er werde nicht foltern, wäre es eine „unmenschliche Behandlung“, den Ausländer an diesen Staat auszuliefern, so der Rechtshilfe-Experte. Der Ausländer müsse dann schließlich ständig mit der Angst leben, dass die Zusicherung nicht eingehalten wird.

In der Praxis scheiterten Auslieferungen von Asylberechtigten zuletzt meist aus anderen Gründen. Im Fall des Kurden Yusuf Karaca (taz vom 10. 6. 2006) erklärte das Oberlandesgericht Frankfurt im August 2007, dass die Auslieferung unzulässig sei. An dem türkischen Strafurteil wegen eines angeblichen Bankraubs, das die Türkei nun vollstrecken wollte, hätten Militärrichter mitgewirkt. „Bis zu dieser Entscheidung saß Karaca aber monatelang in deutscher Auslieferungshaft“, kritisiert Julia Duchrow von ai. CHRISTIAN RATH