Umgang mit Vielfalt lernen

Multiethnische Zusammenarbeit könnte vielen nutzen, tut es aber kaum. Ein Projekt zur Förderung von Vielfalt in der Ausbildung und unter jungen Erwerbslosen will die Potenziale aktivieren

VON VERENA MÖRATH

Immer mehr Unternehmen sollen erkennen, dass eine multikulturelle und multiethnische Belegschaft kein Problem sein muss. Im Gegenteil: Eine Kultur der Vielfalt am Arbeitsplatz birgt in Zeiten der Globalisierung sogar wirtschaftlichen Nutzen. Dies propagiert seit Spätsommer 2007 zumindest die Kampagne „Vielfalt als Chance“. Sie wurde initiiert von der Staatsministerin für Integration, Maria Böhmer (CDU) und läuft bis Ende dieses Jahres.

Doch noch hinkt vielerorts die Realität in deutschen Unternehmen und bei öffentlichen Arbeitgebern den Inhalten der Kampagne hinterher. Jüngstes Beispiel aus Berlin: Mitarbeiter der Job-Center der Hauptstadt, so eine kürzlich veröffentlichte Studie, diskriminieren Migranten.

Das Bildungsteam Berlin-Brandenburg e.V. will mit seinem „Diversity Erleben – Projekt zur Förderung von Vielfalt und Toleranz in der Ausbildung und unter jungen Erwerbslosen“ einen Weg ebnen, der Vorurteile bekämpfen hilft.

Zielgruppe des aus EU-Mitteln finanzierten Projekts sind vorwiegend Auszubildende und Schüler von Ausbildungszentren und Berufsschulen in Berlin und Brandenburg. Mit gutem Grund: Viele Jugendliche brechen ihre Aus- oder Weiterbildung ab oder treten Arbeitsstellen nicht an, weil sie sich aufgrund ihrer Herkunft fremd, ausgegrenzt und diskriminiert fühlen. Oder umgekehrt, es nicht gelernt haben, konstruktiv mit anderen kulturellen Kontexten umzugehen.

„In unseren Trainings sollen die Jugendlichen über Vielfalt reflektieren und Unterschiede bewusst positiv wahrnehmen lernen“, erklärt die Diplompädagogin und Trainerin im Bildungsteam Tatjana Glampke. „Sie sollen einerseits ihren eigenen Vorurteilen auf die Schliche kommen und andererseits Selbstbewusstsein entwickeln, wenn sie sich diskriminiert fühlen.“ Denn ein guter Umgang mit Vielfalt stelle eine Schlüsselkompetenz für ihre berufliche Zukunft dar.

Das Projekt beinhaltet zudem die Fortbildung für LehrerInnen und SozialpädagogInnen an den Einrichtungen. Sie sollen als Multiplikatoren Werte von Vielfalt und Toleranz stärker und in ihre pädagogische Arbeit integrieren.

Die Trainings bestehen aus zwei je dreitägigen Veranstaltungen. Die Gruppe selbst, nicht die Trainer, entscheidet sich anfangs für zwei von sechs thematischen Modulen, mit denen sie sich intensiver beschäftigen will: Kultur, Religion, Rassismus und Rechtsextremismus, Ost-West, Geschlechterrollen und Lebensweisen oder Demokratie lernen.

„Diese Entscheidungsfreiheit ist wichtig“, sagt Trainerin Glampke, „denn so reagieren die meisten Gruppen aufgeschlossen auf das Thema.“ Positive Rückmeldungen seien – mit wenigen Ausnahmen – die Regel. So wünscht sich beispielsweise die neunköpfige kaufmännische Ausbildungsklasse des BildungsWerks in Kreuzberg (BWK), wo Tatjana Glampke und ihr kamerunischer Kollegen Julien Enoka Ayemba schon im September 2007 ihr erstes Training durchführten, ein weiteres Thema: Ost-West.

Zur Zeit des ersten Seminares kannte sich die bunt gemischte Klasse gerade seit einer Woche: junge Männer und Frauen, türkischer, afrodeutscher wie deutscher Herkunft. Die Beschäftigung mit den Werten und Normen der eigenen und anderer Kulturen war für die Jugendlichen aufschlussreich und hat die Klasse zusammengeführt. „Uns ist es wichtig, ihnen durch spielerische Übungen und in Diskussionen zu vermitteln, dass es neben Unterschieden auch viele Gemeinsamkeiten gibt“, so Glampke, die sich darüber freut, dass „das Thema Vielfalt in den Köpfen dieser Teilnehmer selbst nach knapp einem halben Jahr weiter arbeitet“.

Auch Edgar Stralucke, Sozialpädagoge am BWK, begrüßt das Projekt. „Es ist wichtig, dass die Jugendlichen hier nicht nur fachrelevantes Wissen vermittelt bekommen, sondern sich auch mit ihrer Alltagswelt auseinandersetzen können.“

Da am BWK fast ausschließlich Auszubildende mit Migrationshintergrund lernen, sei der Umgang mit Vielfalt an dieser Einrichtung besonders wichtig. Stralucke selbst nahm an einer Fortbildung des Bildungsteams für MultiplikatorInnen teil. „Durch das Training habe ich wichtige Anregungen für meine Arbeit bekommen. So eine Fortbildung setzt immer Reserven frei, weil der Alltag bisweilen betriebsblind macht“, urteilt er.

Die Nachfrage beim Bildungsteam für die Trainings ist groß. Seit Projektbeginn im Herbst 2007 fand schon die Hälfte aller geplanten Veranstaltungen statt, bis Ende der Laufzeit im September diesen Jahres sind alle restlichen Termine vergeben. Rund 900 Jugendliche und 100 Multiplikatoren werden dann Vielfalt anders wahrgenommen haben – und wenn es gut läuft, positiver damit umgehen als derzeit noch die Mitarbeiter in Berliner Job-Centern.