: Das Kapital und die Kunst
In der Akademie der Künste debattierten der Journalist Thomas Wagner und der Galerist Gerd Harry Lybke mit Klaus Staeck, wie „opportunistisch und geldgeil“ die Akteure im Kunstmarkt sind. Zu einer Analyse kam es aber leider nicht
Um die Armen und die Reichen im Kunstbetrieb sollte es gehen, als sich am Donnerstagabend der amtierende Präsident der Berliner Akademie der Künste, Klaus Staeck, mit dem Galeristen Gerd Harry Lybke und dem Kunstkritiker und ehemaligen FAZ-Redakteur Thomas Wagner zum 18. Akademie-Gespräch im Glasbau am Pariser Platz verabredet hatten. Doch was genau man da unter dem etwas marktschreierisch formulierten Motto „Opportunistisch, geldgeil und berechnend?“ eigentlich besprechen wollte, darüber entstand in den folgenden rund anderthalb Stunden leider keine Klarheit.
„Gerechtigkeit in der Kunst gibt es nicht“, stellte Wagner zunächst einmal fest und schlug vor, dass man sich vielleicht über Leute wie den notorischen Damien Hirst unterhalten könnte, der im letzten Sommer einen diamantenbesetzten Platinabguss eines Totenschädels unter strengen Sicherheitsmaßnahmen in London ausstellen ließ. Das Stück sollte für 75 Millionen Euro verkauft werden, Gerüchte besagen allerdings, das habe nicht geklappt. Wagners Vorschlag wurde von seinen beiden Gesprächspartnern leider nicht goutiert. Vielleicht ist die Rede über den „Schädel“ mittlerweile ja wirklich unangenehm, weil man mit jeder Diskussion der Hirst’schen Intention folgt, dessen Ruhm vermehrt und so das eigentlich recht mediokre Werk tatsächlich unsterblich macht?
Auch ein anderer Vorschlag Wagners brachte die Diskussion nicht in Gang. Der Journalist fragte nach den verschiedenen Teilnehmern des Kunstmarktgeschehens und ob denn alle gleichermaßen von den rauen Kapitalmengen profitierten, die derzeit durch den Kunstbetrieb rauschen? Eine Frage, die Lybke, der mit seiner Galerie unter anderem die Kunstmarktlieblinge Neo Rauch, Tim Eitel und Matthias Weischer vertritt, nicht wirklich beantworten konnte oder wollte. Im Vergleich zu vergangenen Jahren gäbe es heute schon mehr Mitspieler, Künstler, Sammler. Auf den Vernissagen würden sich die Leute mehr Urteil trauen. Über die Verteilung des neuen Reichtums sagt dies freilich recht wenig.
Als schließlich Akademiepräsident Staeck, der sich an jenem Abend in der Rolle des Künstlers gefiel, mit Anekdoten über Beuys-Multiples aus den Siebziger- und Achtzigerjahren anfing, war es schließlich Lybke selbst, der das Thema noch mal versuchte, in den Griff zu bekommen. Man müsse schon geldgeil und berechnend sein, wenn man von seiner Kunst leben wolle. „Ich bin Unternehmer und kein Künstler“, ließ der Galerist seine beiden Gesprächspartner wissen, „und ich glaube, dass die Künstler auch ganz froh darüber sind, denn Künstler sind sie ja selbst.“ Ganz logisch erschien da das überraschende Bekenntnis, sogar schon über die Eröffnung eines eigenen Versteigerungshauses nachgedacht zu haben, um den ganz großen Reibach nicht allein Unternehmen wie Sotheby’s zu überlassen.
Leider versäumten es sowohl Wagner als auch Staeck, an dieser Stelle nachzuhaken, um herauszufinden, warum sich Galerien derzeit noch vor diesem Schritt scheuen, während Auktionshäuser massiv ins Galeriengeschäft eingestiegen sind. Doch da war der rhetorisch gewandte Sachse schon bei den Sammlern, die in Diskussionen wie diesen gern schnell in renditegeile Spekulanten und selbstlose Kunstliebhaber eingeteilt werden, die frei von ökonomischen Interessen handeln. Glaubt man dem Galeristen, ist es wohl eher eine Mischung von beidem: dass Käufer neben ihrem Geschmack auch auf die Wertsteigerung der Kunst achteten, sei ganz normal. Wer sein Geld zur Bank bringe, erwarte ja schließlich auch Zinsen, grundlegend sei allerdings, dass einem die Kunst gefallen müsse, die man kauft. Die derzeitige Hitze im Markt für zeitgenössische Kunst vermögen solche Statements jedoch nicht wirklich zu erklären. So ging die Runde und ihr Publikum ziemlich ratlos auseinander. Vielleicht fehlte einfach ein kunstaffiner Ökonom? KITO NEDO