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Archiv-Artikel

Islam macht Schule

Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) will in den nächsten Jahren den deutschsprachigen Islamunterricht einführen. Aber brauchen wir den muslimischen Glauben überhaupt als Schulfach?

PRO

Man sollte nicht allzu viel Hoffnung haben: Die Empfehlung der staatlich initiierten Islamkonferenz, möglichst bald bundesweit einen islamischen Religionsunterricht in deutscher Sprache einzuführen, wird sicher nur wenige Probleme lösen, die die deutsche Mehrheitsgesellschaft mit den Muslimen in ihrer Mitte hat. Dennoch ist das Vorhaben ein Meilenstein in der Geschichte der Migration nach Deutschland, ein Sprungbrett für die Integration von Millionen Menschen, die in der Bundesrepublik oft nur halb angekommen sind.

Natürlich kann man mit guten Argumenten bezweifeln, ob es überhaupt sinnvoll ist, dass es einen Religionsunterricht an staatlichen Schulen gibt, wie das Grundgesetz es vorschreibt. Dies lässt sich nur bedingt mit der grundsätzlichen Trennung von Religion und Staat vereinbaren, die eine zivilisatorische Errungenschaft ist. Gleichzeitig aber bietet der staatliche Religionsunterricht noch die beste Garantie dafür, dass sich fundamentalistische Positionen am Rande der monotheistischen Religionen nicht so leicht in den Köpfen und Herzen der Jugendlichen dieses Landes festsetzen können. Wenn der Staat die künftigen Islamlehrerinnen und -lehrer ausbildet und ihren Unterricht, gestaltet nach seinen Maßstäben und in Deutsch, überwacht, sinkt die Gefahr, dass extremistische Rattenfänger den Islam in eine generell undemokratische, intolerante und gewaltbereite Religion umdeuten.

Sicherlich, der Islam hat – wie das Christentum und das Judentum – diese Seiten in seiner Geschichte und Gegenwart gezeigt und kann ein solches Fehlverhalten auch durch Belegstellen im Koran legitimieren. Zugleich aber böte der staatliche Islamunterricht die Chance, die andere, tolerante und friedliebende Seite des Islams zu lehren, die durchaus mit Demokratie vereinbar ist. In gottverlassenen Hinterhofmoscheen mögen hier und da dann weiter irgendwelche Hassprediger den blutigen Islam propagieren. Es wäre aber von staatlicher Seite mit dem Islamunterricht zumindest ein Gegengewicht vorhanden.

Über den Hebel Islamunterricht steigt zudem der sinnvolle Druck auf die muslimischen Verbände, sich untereinander enger zusammenzuschließen, auf theologische Mindeststandards zu einigen und auf die Werte und Normen der deutschen Gesellschaft tiefer einzulassen. Ihnen winkt dann eines Tages das Privileg einer Anerkennung als Körperschaft öffentlichen Rechts. Eine gemeinsame Aufgabe führt eben oft leichter zur Einheit als viel Rederei. Und vielleicht gewönne die deutsche Durchschnittsfamilie über den Kontakt mit den von Staats wegen religiös geschulten Jugendlichen langsam einen Einblick darin, wie schön der Islam sein kann. PHILIPP GESSLER

CONTRA

Islamunterricht soll nun in die Curricula der deutschen Schulen Einzug erhalten. Wurden die Schulklassen früher in zwei getrennten Gruppen zum Religionsunterricht abgeführt und ein paar Konfessionslose in den Ersatzunterricht gedrängt, geht es in Zukunft in Viererformation und Gänsemarsch zur religiösen Erleuchtung. Ethisch, katholisch, protestantisch, islamisch. Bitte schön geregelt aufstellen.

Hinter dem geplanten Islamunterricht steckt mitnichten das Verständnis für die religiösen Belange der Mitbürger. Nein, Hintergrund dieser neuen Bildungsmaßnahme ist auch nun wieder – wir erinnern uns an die leidige Kreuz-hin-oder-her-Diskussion in bayrischen Schulen – die christlich-konservative Gesinnung. Für immer und ewig, bis zum letzten Tag, würden die christlichen Interessensvertreter mit dem Vehikel des Islamunterrichts nun den katholischen und evangelischen Religionsunterricht, der schon jetzt Klassen in ihrem Lernerlebnis auseinanderreißt, zementieren. Reingefallen! Ist der deutschen Gesellschaft die Überwachung des Islams so wichtig, dass sie dafür die grundsätzliche Trennung zwischen Staat und Religion weiter aushöhlt? Genau das wird aber passieren. Säkularisierung bedeutet ja nicht, dass man mit Religion nichts am Hute hat. Sie bedeutet viel mehr, dass wir uns bewusst dafür entscheiden, Bereiche des Lebens von Religion frei zu halten. Diese Haltung tauschen wir nun ein, in der irren Hoffnung, die Muslime hier noch besser als bisher überwachen zu können. Schnüffelstaat lässt grüßen. Für das Verständnis zwischen den Religionen tut diese Maßnahme ungefähr so viel wie ein protestantischer Umzug durch ein katholisches Viertel in Nordirland.

Unbestritten ist, dass das Wissen um die Religionen eine Grundlage für das Verständnis der Welt ist. Bildung in Sachen Religion gehört zum Allgemeinwissen wie Biologie, Mathematik, Sprachen und Geschichte. Aber sollte die Vermittlung dieses Wissens, als ordentliches Fach, nicht gemeinsam geschehen? Und sollte sie nicht aus dem partikular-konfessionellen Kontext herausgelöst werden? Nur wenn es bundesweit eine allgemeine Religionskunde gibt, die sich eben mit der Geschichte aller Weltreligionen beschäftigt, lernen die Schüler auch den kritischen Umgang mit Gott und den Seinen. Mit der Hinwendung zum Islamunterricht unterläuft den Politikern, die für die Lehrpläne der immer fragilen Jugend zuständig sind, erneut ein, man möchte sagen, Kardinalfehler. Sie verpassen die Chance, die Kinder dieses Landes zu lehren, dass Religion auch gemeinsam geht. NATALIE TENBERG