: Zu schwere Netzwinde ließ Kutter sinken
Knapp anderthalb Jahre nach dem Unglück steht fest, warum der Fischkutter „Hoheweg“ in der Nordsee gekentert ist. Unsachgemäßer Umbau und Pech kamen offenbar zusammen. Alle vier Besatzungsmitglieder fanden damals den Tod
Das Drama hat sich binnen kürzester Zeit vollzogen. Nur zwei Minuten, nachdem ein Schlauch den Antrieb blockiert hatte, kenterte der Fischkutter „Hoheweg“ im November 2006 in der Nordsee und riss die vier Besatzungsmitglieder in den Tod. Wie die Hamburger Bundesstelle für Seeunfalluntersuchung (BSU) ermittelte, kam es zu dem Unglück wahrscheinlich, weil der 30 Jahre alte Kutter unsachgemäß umgebaut worden war.
Die letzte Reise der Hoheweg beginnt am 8. November 2006 mit einer Verzögerung. Die Crew muss das Schwesterschiff „Rotersand“ wegen eines Maschinenschadens in den Heimathafen Brake zurückschleppen. Statt wie geplant mittags, geht es deshalb nach erst kurz vor 18 Uhr los zur geplanten Fangreise in die Ostsee. Bei einem Zwischenstopp in Bremerhaven hieven der 27 Jahre alte Kapitän, sein 18 Jahre alter Lehrling sowie die beiden 38 und 47 Jahre alten Fischer noch drei Tonnen Eis an Bord.
Dass an diesem Tag ein Tiefdruckgebiet das andere über die Nordsee jagt, scheint die Besatzung nicht zu schrecken. Hochseekutter wie die Hoheweg gelten als seetüchtig, schließlich wurden sie für den harten Einsatz auf dem Atlantik westlich von Schottland und südlich Islands konstruiert.
Doch seit einem Umbau im Winter 2003/2004 hat die Hoheweg keinen Sturm mit mehr als Windstärke sieben durchquert. Deswegen weiß wohl niemand an Bord, dass sich das Seegangsverhalten gravierend verändert hat, nachdem eine neun Tonnen schwere Netzwinde auf das Achterdeck montiert wurde. Statt bei einem seitlichen Neigungswinkel von 60 Grad hätte der Kutter nun schon bei rund 30 Grad kentern können, errechnen später die BSU-Experten. Dieser Winkel ist schnell erreicht – zumal wenn wie am Unglücksabend ein Sturm mit acht Windstärken die Wellen drei bis dreieinhalb Meter hoch auftürmt.
Die Hoheweg hat gerade das Fahrwasser der Alten Weser verlassen und fährt über die Nordergründe Richtung Elbe, da zeigt das Radar des in der Nähe tuckernden Fischkutters „Christine“ um 20.42 Uhr die ersten Zeichen der nahenden Katastrophe. Die Geschwindigkeit der Hoheweg verringert sich schlagartig, als der Schlauch in die Schraube gerät. Für den Schiffsführer muss es gewirkt haben, als fange der Motor an zu stottern.
Der Radaraufzeichnung nach versucht der Kapitän der Hoheweg zu wenden und den Bug gegen Wind und Welle zu drehen, um sein Schiff zu schützen. Notankern ist nicht möglich; das Ankergeschirr ist nicht klar. Wahrscheinlich glaubt die Besatzung an einen Maschinenschaden, denn der verhängnisvolle Schlauch in der Schraube ist in der Dunkelheit nicht zu sehen.
Um 20.44 Uhr verschwindet die Hoheweg vom Radar. 45 Sekunden später sendet die automatische Notrufboje des Schiffes SOS. Obwohl sofort Rettungskreuzer auslaufen und ein Hubschrauber aufsteigt, bleibt die Hoheweg verschollen. Das Wrack wird eine Woche später geortet, kann aber erst im folgenden Sommer gehoben werden. Der Kapitän gilt bis heute als vermisst. WOLFGANG HEUMER, DPA