Schulden aus den Siebzigern

Rechnungshof redet den möglichen Koalitionären CDU und GAL ins Gewissen: Es bestehe die „historische Chance“ für einen Haushalt ohne neue Schulden und Verkäufe. CDU hinterlässt unfinanzierte Projekte für 2,4 Milliarden Euro

Um den Hamburger Haushalt ist es schlechter bestellt als erwartet: Nach einem Sonderbericht des Landesrechnungshofs zu Beginn der neuen Legislaturperiode hat der Senat in seiner Finanzplanung bis 2011 Projekte für 1,6 Milliarden Euro vorgesehen, bei denen keiner weiß, wo das Geld herkommen soll. Dazu kommen Vorhaben im Umfang von 800 Millionen Euro, die der CDU-Senat im letzten Vierteljahr seiner Alleinregierung beschlossen hat. Der gesamte Haushalt hat ein Volumen von 9,8 Milliarden Euro.

Die 800 Millionen erwähnte Finanzsenator Michael Freytag (CDU) am Rande der Koalitionsverhandlungen mit der GAL. Die Summe ist eine zusätzliche Hypothek für die laufenden Gespräche, bei denen sich beide Parteien darüber einig werden müssen, wofür sie die Steuergelder ausgeben wollen. „Wir brauchen einen Kassensturz“, forderte Jann Meyer-Abich, der Präsident des Rechnungshofes. Die finanziellen Folgen aller angeschobenen Projekte müssten eingerechnet und mit den Kosten anderer Pläne abgeglichen werden.

Insbesondere, so Meyer Abich, seien die Ausgabeermächtigungen aus vergangenen Jahren zu berücksichtigen: Dabei handelt es sich um Vorhaben wie Bauten, die nicht wie vorgesehen fertig wurden, so dass das Geld aus dem Jahreshaushalt nicht abgerufen wurde. Die Ausgabeermächtigung dafür blieb erhalten, obwohl das Geld nicht gespart, sondern an anderer Stelle ausgegeben wurde. Die „Bugwelle“, die die Stadt so vor sich her schiebe, sei 2006 mehr als eine Milliarde Euro groß gewesen, kritisiert der Rechnungshof. Und sie wachse.

Das unabhängige Gremium erkennt zwar an, dass der CDU-Senat in den vergangenen Jahren begonnen hat, sich auf eine Haushaltssanierung zu zu bewegen. In den Jahren 2006 und 2007 hatte die Stadt sogar mehr laufende Einnahmen als laufende Ausgaben. Weil der Senat „investierte“, gab er aber dennoch mehr Geld als er hatte. Damit er nicht neue Schulden machen musste, was schlecht ausgesehen hätte, verkaufte er Vermögen.

Doch bei solchen „Investitionen“ handelt es sich keineswegs immer um Projekte, die ihre Kosten einspielen – geschweige denn Gewinn abwerfen. Das zeigt sich daran, dass den 26 Milliarden Euro Schulden nach Schätzung des Rechnungshofs zu zwei Dritteln keine Werte mehr gegenüber stehen. „Wir haben heute noch die Schulden für Lochkartenapparate von Anfang der 70er-Jahre“, sagte Meyer-Abich.

Er forderte die Parteien auf, mit dem Doppelhaushalt 2009/2010 und der Finanzplanung 2008 bis 2012 dafür zu sorgen, dass nicht mehr ausgegeben als eingenommen und kein Vermögen verkauft wird – dafür gebe es eine „historische Chance“. Sie müssten vorsorgen, so dass auch bei Konjunkturdellen keine neuen Schulden gemacht werden müssten, sondern die alten abgetragen werden können. Die Bürgerschaft solle an der mittelfristigen Finanzplanung beteiligt werden. GERNOT KNÖDLER