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Archiv-Artikel

„Der Druck der Öffentlichkeit ist groß“

Die Kernaufgaben der Museen geraten in Vergessenheit, sagt Ewald Gäßler, der Vorsitzende des Museumsverbandes Niedersachsen und Bremen. Ab heute denken die Direktoren bei einer Tagung über Präsentationsformen von Sammlungen nach

EWALD GÄSSLER ist Honorar-Professor an der Uni Oldenburg, Direktor des Stadtmuseums Oldenburg und Vorsitzender des Museumsverbandes Niedersachsen und Bremen.

taz: Herr Gäßler, die Jahrestagung des Museumsverbandes Niedersachsen und Bremen widmet sich neuen Konzepten bei der Präsentation von Sammlungen. Hat der Museumsverband Grund zur Klage?

Ewald Gäßler: Der Museumsverband hat nicht grundsätzlich Grund zur Klage. Aber es geht in diesem Falle darum, dass die Präsentation der Sammlungen für das Publikum grundsätzlich attraktiv gestaltet werden muss. Das ist nicht in jedem Museum der Fall. Es ist notwendig, dass sich die Museen immer wieder auf neue Präsentationsformen besinnen und diese ausprobieren, um attraktiv zu bleiben.

Wie werden Sie das auf der Tagung vermitteln?

Wir haben drei Diskussionsforen gebildet zu folgenden Fragen: Wie setze ich die eigene Sammlung geschickt in Wert? Wie nutze ich den authentischen Ort? Und wie entwickle ich eine geschickte Ausleih-Strategie – denn wir sind natürlich immer darauf angewiesen, uns auch Objekte auszuleihen. Wir werden Best Practice-Beispiele vorführen, um zu zeigen, wie man die eigene Sammlung optimal präsentieren und für das Publikum interessant machen kann. Wobei es uns stark darum geht, die eigene Sammlung zu betonen. Denn das ist das, womit die Museen wuchern können: Dass sie eigene Sammlungen historischen Kulturgutes besitzen.

Woran liegt es, dass das Interesse der Öffentlichkeit an diesen Sammlungen geringer ist, als es sein sollte?

Durch die großen, spektakulären Sonderausstellungen ist die Wahrnehmung dahingehend verschoben worden, dass Museen darauf ausgerichtet sein müssen, hohe Besucherzahlen zu generieren. Egal, was gezeigt wird. Das ist allerdings nicht die Kernaufgabe der Museen. Die Museen sind das materielle Gedächtnis eines Ortes oder einer Region. Und dieses materielle Gedächtnis gilt es zu erweitern, zu pflegen, zu erforschen – und zu präsentieren. Das schließt nicht aus, dass dabei besondere Highlights geboten werden können.

Woher kommt der Druck für die Museen, sich durch Besucherzahlen und Events hervorzutun?

Jede Meldung, die sagt, Museum xy hat 200.000 Besucher bei einer Ausstellung gehabt, führt dazu, dass sich die Museen, die keine solchen Besucherzahlen aufweisen können, rechtfertigen müssen. Dann kann man zwar argumentieren, dass man ein kleines Museum ist und eine regionale Aufgabe zu erfüllen hat, aber der Druck der Öffentlichkeit ist groß. Die Besucherzahlen stehen bei der Berichterstattung in den Feuilletons ganz im Vordergrund.

Also sind es vor allem die Medien, die das Problem schaffen?

Nein, die Medien schaffen kein Problem, sondern sie berichten über eine Forderung an die Häuser, die ja auch aus der Politik kommt. Die Besucherzahlen werden als Messlatte genommen, obwohl ein Museum ganz hervorragende Arbeit etwa bei der Restaurierung oder der Erforschung seiner Sammlung getan haben kann. Aber das dringt nicht in dem Maße nach außen. Wir müssen da gegensteuern, weil die Kernaufgaben bei aller intelligenter und spektakulärer Präsentation nicht in Vergessenheit geraten dürfen.

Was können Museen tun, um mit ihren Sammlungen besser zu punkten?

Es gibt in letzter Zeit mehrere, die ihre Sammlungen aufgearbeitet und sich neu präsentiert haben. Etwa das Ostfriesische Landesmuseum in Emden, das gerade den niedersächsischen Sparkassenpreis bekommen hat. Oder die Kunsthalle in Bremen, die eine interessante Variante entwickelt hat, indem sie einzelne Bilder oder Bildergruppen ganz nach vorne stellt und dazu große Ausstellungen macht, wie beispielsweise bei der Van-Gogh-Ausstellung. Eine andere Variante ist, dass man den authentischen Ort nach vorne stellt: Wir haben viele Museen, die in historischen Häusern untergebracht sind, in Klöstern, Schlössern oder Palais. Zum Beispiel das Museum in Walkenried, das in einem ehemaligen Zisterzienser-Kloster untergebracht ist: Da kann man sich für den Ort interessante Präsentationen ausdenken, die auch ohne spektakuläre Leihgaben das Publikum ansprechen.

Werden Sie bei der Tagung auch über Eintrittsgelder reden?

Nein, das steht nicht auf der Tagesordnung. Das ist im Moment auf der regionalen Ebene kein Diskussionspunkt.

Was wäre Ihre Position?

Ich bin sicher, dass in der gegenwärtigen Situation viele Museen die Eintrittsgelder brauchen. Sonst würden sie mit ihren Etats nicht klar kommen. Von daher sind solche Forderung nach freiem Eintritt immer genau zu prüfen.

INTERVIEW: KLAUS IRLER