: Lust aufs Baby machen
In speziellen Kursen lernen Kinder, warum sich während der Schwangerschaft und danach alles um das Baby im Bauch der Mutter dreht. Eifersucht lässt sich damit nicht verhindern, aber die Aufklärung verbessern, meinen die Anbieter
Wer sich bei der Aufklärung der Kinder vor der Geburt seiner Kinder helfen lassen möchte, kann an sieben verschiedenen Häusern Geschwisterkurse für seinen schon vorhandenen Nachwuchs buchen. Die Kurse können von den Kindern zusammen mit den Müttern, aber auch mit den Vätern besucht werden. Sie werden monatlich oder alle zwei bis drei Monate angeboten. Bei den Kliniken der Asklepios-Gruppen heißen die Kurse Geschwisterschulen. Neben dem Geburtshaus Altona werden Geschwisterkurse vom Universitätsklinikum Eppendorf, vom Klinikum Nord, der Elternschule Altona, den Krankenhäusern in Barmbek, Wandsbek und der Elternschule Altona angeboten. Die Kosten für die Kurse variieren von Anbieter zu Anbieter zwischen fünf und 30 Euro. DKU
VON DANIEL KUMMETZ
Sie stehen staunend vor dem Bauch und ahnen, dass bald etwas Großes passiert: Die Eltern sind aufgeregt, die Mutter tobt nicht mehr so viel mit ihnen, sie selbst stehen nicht mehr allein im Mittelpunkt. Kinder, die ein Geschwisterkind erwarten, wollen Aufklärung: Wie kann das Baby im Bauch überleben? Was braucht der neue Bruder oder die neue Schwester, wenn sie geboren wurde?
Bei der Suche nach Antworten auf diese Fragen sollen die Geschwisterkurse von Kliniken oder Geburtshäusern helfen. Sie bestehen aus ein bis zwei Treffen für vier- bis 14-jährige Kinder mit ihren Müttern. Die Termine dauern jeweils rund zwei Stunden.
Es geht bei den Geschwisterkursen nicht nur ums Wissen, sonder auch um Emotionen: „Wir wollen den Kindern Lust aufs Baby machen“, sagt Petra Unger vom Geburtshaus Altona. Schließlich wird das neue Kind nach der Geburt für die älteren Geschwister auch eine Konkurrenz sein, deren Folgen viele bis ins Alter mit sich tragen. „Ich glaube nicht, dass ich dadurch die Eifersucht nehmen kann“, sagt Unger, „die Kinder müssen ihre neue Rolle neu definieren.“ Doch bevor die Rollenkämpfe beginnen, geht es erstmal um die Grundlagen: Die Kinder malen gemeinsam im Kurs den Bauch einer schwangeren Frau und zeichnen die Lage des Babys, wichtige Körperteile und zum Schluss die Nabelschnur ein. Sie erfahren anschließend, was in der Schwangerschaft passiert, was ihre neue Schwester oder der neue Bruder schon kann. Damit die Kursteilnehmer verstehen, warum die Mutter weniger toben kann, wird ihnen klar gemacht, wie schwer so ein Kind im Bauch ist: Sie tragen einen Wassereimer durch den Raum, der so schwer wie ein Baby ist.
Wie das Kind im Mutterleib liegt, erfahren die Teilnehmer spielerisch: „Um die Lage des Geschwisterkindes in spe zu ertasten können die Kinder anschließend eine Puppe unter dem Pullover verstecken und ein anderer Teilnehmer muss ertasten, wie das Kind unter dem Pullover liegt“, berichtet Unger.
Mit Stethoskop, Maßband und Personenwaage lernen die Kinder anschließend, warum Mutter und Kind regelmäßig zu den Vorsorgeuntersuchungen gehen müssen und was dort passiert. Zu den Treffen gehört aber auch das Kennenlernen des Geschwisterkindes: Dazu kuscheln sich die Kinder an die Bäuche ihrer Mütter und singen ein Schlaflied. In dem Kurs wird auch erklärt, warum die Mütter Schmerzen haben und schreien, wenn sie gebären. „Mit Hilfe des Strick-Uterus erkläre ich, dass die Mama dann ganz doll Bauchschmerzen hat“, sagt Unger. Wenn das Geschwisterkind gedanklich schon geboren ist, üben sie mit Puppen, wie es gewickelt und angezogen wird. Zum Schluss gibt es ein Andenken: Einen gestempelten Abdruck des eigenen Fußes, den die Kinder später mit dem Fuß des Babys vergleichen können.
Doch die Kurse sind nicht unumstritten, auch unter Hebammen. Sie werden als weiterer Schritt zur Kommerzialisierung des eigenen Berufs und der Kliniken betrachtet. Häufigster Kritikpunkt: Die Aufklärung der Kinder sei Aufgabe der Eltern.
Dem entgegnet Unger, die den Kurs auf Grund einer Idee der Marketingbeauftragten des Hauses entwickelte: „Kein Kurs ist lebensnotwendig, aber sie erleichtern den Umgang.“ Sie behauptet: „Die Kinder beschäftigen sich intensiver mit dem Thema nach einem Geschwisterkurs, als wenn sie nur nebenbei immer mal wieder mit ihren Eltern darüber reden.“ Mütter berichteten ihr, dass sich die Kinder noch lange darüber hinaus mit den Themen auseinandersetzen.
Die Kurse sollen aber nicht nur auf die bevorstehende Geburt vorbereiten – Unger hat auch ein langfristiges Ziel: Sie möchte den Mädchen ein größeres Bewusstsein für die eigene Gebärfähigkeit vermitteln.