: „Viel wird unter den Teppich gekehrt“
Oft wird allein aus Bequemlichkeit nichts gegen Korruption in Ämtern und Behörden unternommen, sagt Jochen Bäumel von Transparency Deutschland
JOCHEN BÄUMEL ist Vorstandsmitglied von Transparency Deutschland und hat für den Bericht mit den Antikorruptionsbeauftragten der zwölf Berliner Bezirke gesprochen.
taz: Herr Bäumel, wie gut steht Berlin bei der Korruptionsbekämpfung da?
Jochen Bäumel: In Bezug auf Gesetze, Verwaltungsvorschriften und Richtlinien schneidet Berlin ganz gut ab. Aber die Umsetzung in den Bezirken lässt teilweise zu wünschen übrig. In vier Bezirken wird die Richtlinie umgesetzt; wir hatten aber das Gefühl, in vier anderen Bezirken bemühe man sich überhaupt nicht.
Gibt es denn Korruption in Berlin?
Es mag zwar unbequem sein, aber selbst wenn man aktiv gegen Korruption vorgeht, Tatsache ist, dass Korruption immer stattfindet und überall; das wird auch nicht zu verhindern sein. Aber man kann sie verringern.
Wie zum Beispiel?
Wenn man transparent damit umgeht, bedeutet das einen Abschreckungswert. Von den Bezirken, in denen keine gute Korruptionsprävention stattfindet, hört man normalweise auch nicht, dass es dort Korruption gibt – denn Korruption findet im Geheimen statt. Und wenn ich nicht hingucke, dann werde ich auch nicht fündig. Es wird also viel unter den Teppich gekehrt.
Welches sind die Motive einiger Bezirke, die Senatsrichtlinien zur Vermeidung von Korruption nur unzureichend umzusetzen?
Finanzielle Interessen sind es jedenfalls nicht. Korruption bedeutet im Kern nichts anderes, als dass ich Wettbewerbsregeln außer Kraft setze zum eigenen Vorteil. Und das wird immer teurer, als wenn das nicht stattfindet. Für Politiker bedeutet das, dass sie möglicherweise besser agieren können, unbeschwerter. Es ist also auch eine Machtfrage.
Weshalb haben vier Bezirke Ihrer Meinung nach keine zentralen Prüfgruppen eingerichtet?
Zum Teil ist es sicher Bequemlichkeit. In Reinickendorf soll das ja jetzt passieren. Der Bezirk will sich Spandau als Vorbild nehmen und sich von ihm beraten lassen.
Warum passiert das erst jetzt? In Spandau wird es schließlich seit fünf Jahren vorbildlich geregelt.
Man muss sehen, dass es in einer Reihe von Bezirken, in denen es heute gut gehandhabt wird, zuvor schwere Korruptionsfälle gegeben hab. Es hat in Spandau einen großen Skandal gegeben, in Treptow-Köpenick, in Pankow …
Das heißt, in den anderen Bezirken ist es bisher einfach noch nicht zur Katastrophe gekommen?
Ja. Ich kann nur sagen: In Charlottenburg-Wilmersdorf passiert insgesamt relativ wenig, was Korruptionsprävention angeht. Dort wird allerdings zumindest der Baubereich durch eine eigene Revision mit drei Leuten gut geprüft. Außerdem wurde dort ein elektronisches Hinweissystem eingeführt. Das heißt, es gibt in Teilbereichen Bemühungen. Aber es kann nicht sein, dass es keinen Arbeitskreis dazu gibt. Denn auch der ist in der Richtlinie des Senats von 1998 vorgesehen.
Die Bezirksbürgermeisterin von Charlottenburg-Wilmersdorf, Monika Thiemen, bezeichnet Ihren Bericht als nicht wissenschaftlich.
Ich habe ihren Antikorruptionsbeauftragten zu Kriterien befragt, die der Senat vorgegeben und mit anderen Bundesländern abgestimmt hat. Da kann man nicht sagen, dass diese Richtlinie nichts wert sei. Da setzt sich also jemand über diese Empfehlungen des Senats hinweg. Das würde ich als Arroganz der Macht bezeichnen.
Das beantwortet noch nicht die Frage nach der wissenschaftlichen Arbeit.
Wissenschaftlich arbeiten bedeutet in diesem Fall, dass ich frage, welche Richtlinien in diesem Bezirk umgesetzt wurden und welche nicht. Tatsache ist, dass ein Herzstück dieser Richtlinie nicht umgesetzt wird, wie Frau Thiemens Antikorruptionsbeauftragter bestätigt hat.
Wenn diese Richtlinie so sinnvoll ist – warum wurde sie nicht Pflicht?
Das kann ich nur vermuten. Man müsste Mindeststandards festsetzen, aber dagegen wehren sich manche Stadtteile, wie Steglitz und Kreuzberg. Das kann ich nicht nachvollziehen. In der Umsetzung könnte man meiner Meinung nach den Bezirken gerne Freiheiten einräumen – aber Kernstücke müssten Pflicht sein. Warum der Senat keine Innenrevision für die Bauabteilung vorgeschrieben hat, sondern nur für Soziales und Jugend, kann ich auch nicht nachvollziehen.
Sehen Sie eine Tendenz?
Ich glaube schon, dass sich etwas bewegen wird. Bezirke, die sich gegen die Umsetzung der Senatsrichtlinien wehren, erhalten immer weniger Unterstützung. Die zentralen Prüfstellen werden oft abgelehnt, weil häufig jede Abteilung von einer anderen politischen Partei geführt wird. Da kann es gut sein, dass ein Abteilungsleiter sich nicht von einer Prüfgruppe der politischen Opposition kontrollieren lassen will. Immerhin: In Spandau, Marzahn, Köpenick und Treptow klappt es ja.
INTERVIEW: KATHARINA BUESS