: Einen Mythos illustriert
Sie bietet nicht nur das Idyll, sondern auch ein bizarres Wiedersehen mit dem Elbhochwasser von 2002: Die Ausstellung „Elbstücke“ im Altonaer Museum ist gar nicht so unpolitisch
VON PETRA SCHELLEN
Eigentlich sollte es nur eine adrette Elbe-Ausstellung werden. Eine Schau, die einen Fluss vorstellt, der vielerlei Gewänder hat; von der Elbe als „Diva“ war da sogar im Vorfeld die Rede. Und das Altonaer Museum hat sich auch die größte Mühe gegeben, die gestern eröffnete Foto-Ausstellung namens „Elbstücke“ unverbindlich und multiperspektivisch anzulegen, auf dass nur ja nicht der Verdacht aufkomme, es handle sich um ein Politikum. Denn man möchte nicht nur poetisch, sondern mit jedweder Besucherklientel kompatibel sein.
Letztlich ist aber etwas gänzlich anderes daraus geworden; ob das intendiert war, ist anzuzweifeln. Denn zwar haben einige der vier Fotografen durchaus idyllische Elb-Ansichten erstellt, wie sie sich in jedem touristischen Bildband finden. Aber das ist nicht das Wesentliche an der Schau, die Blätter von Frank Krems, Jo Röttger, Jens Rötzsch und Heike Ollertz präsentiert. Anrührend und erhellend ist vielmehr das Wiedersehen mit Fotos, die man fast schon vergessen hatte: Jens Rötzschs ursprünglich für den Stern gefertigte Bildern vom Elbhochwasser 2002 in Sachsen etwa, die nicht voyeuristisch, sondern vielmehr sensibel, nachdenklich, fast hellsichtig daherkommen.
Das man das so deutlich spürt, liegt vor allem daran, dass inzwischen ein paar Jahre ins Land gegangen sind. Und so bemerkt man beiläufig, das sich die eigene Perspektive aufgrund der wachsenden medialen Panik in puncto Erderwärmung stark verändert hat: Tief hat sich mittlerweile ins Hirn gefräst, dass dereinst wohl ganze Kontinentalplatten unter Wasser stehen und die Erde vielleicht wie in der Kreidezeit aussehen wird.
Dies vor dem inneren Auge, liest man die Bilder der Dresdner Elbflut anders als damals: Neue Wege hat sich die schmutzige Brühe nämlich durch Dresden gebahnt, hat das Stadion als kleinen Teich gleich mit eingemeindet und und eine eigene Handschrift in die Landschaft geschrieben. Ein starkes Symbol für die Verkehrung von oben und unten, von Über- und Unterwasserlandschaft, die dereinst vielleicht dem Erdball dräut.
Die Tatsache, dass die Freitreppe von Schloss Pillnitz auf diesen Bildern wie ein Reptil ins Wasser führt, ist dabei durchaus symbolträchtig: Vielleicht ist es der müden Zivilisation und ihren Gebäuden ganz recht, endlich wegtauchen und unter Wasser ausruhen zu können. Vielleicht hat es auch die Blumenrabatte im Hof gründlich satt, immer nur adrett und gepflegt zu sein.
Apokalyptische Stimmung, sogar sanft ironisch gebrochen, verbreiten auch die beiden wasserumspülten Dresdner Plattenhochhäuser, von denen eins die Lettern „Sächsische Zeitung – Das ist Sachsen“ trägt. Das war Sachsen, möchte man hier antworten, aber noch steht ja einiges vom Freistaat, und inzwischen ist das Wasser ja großteils abgeflossen, die Elbe brav wieder in ihrem Bett.
Den Versuch Caspar-David-Friedrich-gleicher Optik hat Frank Krems gestartet, der von der tschechischen Grenze über das Elbsandsteingebirge in Richtung Meißen fuhr. Eine nette, sentimentale Idee. Trotzdem erinnern seine 2007 entstandenen Fotos eher an den Gelbstich alter DDR-Postkarten. Vermutlich ungewollt bestätigen sie so das Klischee, das der Westeuropäer latent schon immer von den Staaten hinter dem eisernen Vorhang hatte und teils noch hat: dass man dort nicht einmal fähig war, die zweifellos idyllische Natur angemessen abzubilden; ein Hauch realsozialistischen Mangels blieb immer.
So weit, so idyllisch und pastellen – doch die zentrale Frage, inwiefern die Elbe spezifisch oder gar Identität stiftend sei, beantwortet in dieser Schau einzig Jo Röttger: Wenn man dessen schlichte Touristen-Schnappschüsse beiseite lässt, reichen seine Schwarzweiß-Fotos der Besatzung der Elbfähre zwischen Glückstadt und Wischhafen doch nah ans Porträt heran: An dokumentarische Studien erinnern seine Aufnahmen von Kapitänen, Schiffskoch und Kantinenbetreiberin. In Windeseile hat er es geschafft, jeden in charakteristischer Pose abzulichten – ein Prozedere, das normalerweise Stunden geduldigen Beschwichtigens im Atelier erfordert.
Zudem lässt sich aus den Gesichtern ein wenig von dem ablesen, was einen an dieser Ausstellung eigentlich interessiert: in welchem Maße die Elbe und der Kampf mit dem Wasser diese Menschen geprägt haben müssen. Warum die Fährleute so hart dreinschauen; der Fährschiffer empfindet da nicht anders als der Halligbewohner. Und an dieser Stelle kippt die Schau – und das ist erfreulich – in jene Allgemeingültigkeit um, die man ihr auch angesichts ihres Namens gern zugesteht. Denn „Elbe“ heißt ursprünglich schlicht und unverbindlich „Fluss“. Und in eine Ausstellung über einen solchen gehören natürlich auch Fotos wie die von Heike Ollertz, die Elbwiesen idyllischst bei Sonnenaufgang zeigen. Sie sind zwar etwas aufdringlich koloriert. Als Insignien des universellen Mythos „Fluss“ taugen sie aber unbedingt.
Die Ausstellung „Elbstücke“ ist bis 28. 9. 2008 im Altonaer Museum zu sehen.