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Archiv-Artikel

Am liebsten Jazz und Rotwein

Sex, Drugs and Rock‘n‘Roll spielten für den Hamburger Konzertveranstalter Karsten Jahnke nie eine Rolle. Dafür hat er eine erfolgreiche Balance gefunden zwischen wirtschaftlichem Denken und Leidenschaft für die Musik und wurde zum Sympathieträger seiner Branche

VON KLAUS IRLER

Karsten Jahnke wird vermutlich nicht dabei sein, wenn demnächst Adam Green, Lotto King Karl oder Morcheeba in Hamburg auftreten. Auch bei Dianne Reeves in Bremen, Grönemeyer in Flensburg und The Glam in Hannover wird man den Konzertveranstalter eher nicht antreffen. Zwar hat Jahnke nicht aufgehört zu arbeiten, aber erstens ist der Output seiner Konzertagentur kräftig gewachsen und zweitens geht es Jahnke inzwischen ruhiger an. „Ich bin früher zu jedem Konzert gegangen“, sagt er. „Wenn man die Konzerte nicht hört, weiß man nicht, ob sie wirklich gut waren.“

Jahnke ist mittlerweile 70 Jahre alt und jemand, der Preise bekommt. Vergangenen Herbst zum Beispiel verlieh ihm die Hamburger Kulturbehörde die Senator-Biermann-Ratjen-Medaille für seine Verdienste um das Musikleben in der Stadt. Im März legten dann die Kollegen aus der Konzertveranstalter-Branche nach und ehrten Jahnke mit dem Live Entertainment Award für sein Lebenswerk. Denn Jahnke hat aus einem Zwei-Mann-Betrieb eine Agentur gemacht, die jährlich bis zu 1.000 Konzerte veranstaltet und dabei keineswegs beliebig vorgeht. Und Jahnke ist einer, der auch nach über 40 Jahren in der Branche die Musik noch mag – was keine Selbstverständlichkeit ist.

Jahnke ist zum Sympathieträger in einer Branche geworden, die voller Risiken steckt, vor vielen Jahren mal als aufregend exzessiv galt und sich aktuell über klingelnde Kassen freut: Das Geschäft mit den Live-Events wächst und gedeiht, im Gegensatz zum Geschäft der Tonträgerwirtschaft. Denn ein Live-Erlebnis kann man nicht downloaden.

„Schon die Einführung der CD war ein großer Fehler“, sagt Jahnke. „Dass das mit dem Runterladen so einschlagen würde, hätte man voraussehen können.“ Er sagt das sehr nüchtern, wie einer, dem es nicht ums Rechthaben geht, sehr wohl aber um eine erfolgreiche unternehmerische Strategie. Jahnke sagt aber auch: „Die junge Generation weiß gar nicht mehr, wie gut Musik auf Vinyl klingen kann. Auch der größte MP3-Fan wird nicht ernsthaft behaupten, die wiedergegebene Musik würde gut klingen.“

Bei Jahnke ist das Verhältnis zwischen solidem kaufmännischem Denken und Leidenschaft für die Musik ausgeglichen. Es scheint ziemlich genau bei Fünfzig zu Fünfzig Prozent zu liegen. Wahrscheinlich ist das die Grundlage seines Erfolges.

Jahnke wurde in Hamburg geboren, ist dort in den 1950er und 60er Jahren aufgewachsen und weiß daher, wie gut Kultur zumal in mageren Zeiten tun kann. Außerdem ist Jahnke Im- und Exportkaufmann und hat gelernt, was eine Bilanz ist: Bei seiner ersten Veranstaltung, einem Jazz-Band-Ball im Jahr 1959, lag der Gewinn bei elf Mark. „Damals“, sagt Jahnke, „war Jazz die Musik, die die großen Hallen füllte. Heute ist das leider nicht mehr so.“ Dazu muss man wissen: Privat steht Jahnke auf Jazz. Und mag lieber guten Rotwein als Bier.

Am Anfang, vom Jahr 1959 an, veranstaltete Karsten Jahnke über zehn Jahre lang Konzerte nur nebenbei. 1972 gründete er in Hamburg die Karsten Jahnke-Konzertdirektion, die heute 25 Mitarbeiter hat – ein mittelständischer Betrieb, der sowohl ganze Tourneen veranstaltet, als auch für andere Tourneeveranstalter die Konzerte vor Ort organisiert.

Sex, Drugs and Rock‘n‘Roll, die ganzen Mythen des Rock‘n‘Roll-Business früherer Jahre, das alles spielte für Jahnke und seine Arbeit keine Rolle. Er heiratete 1963, trank nie harten Alkohol, und in seinem Büro hängt ein großes Foto des niederländischen Künstlers Herman van Veen: Jahnke lernte van Veen seinerzeit in Den Haag kennen, war begeistert und holte ihn zwecks intensiver Zusammenarbeit nach Deutschland. Van Veen sei einer, der seine Tourneen familienfreundlich gestalte, sagt Jahnke, also: nicht zu oft zu lange weg von zu Hause. Es ist etwas, das Jahnke gefällt.

Jahnke sagt, dass die Musik bei einem Konzertabend wichtiger sei als das, was die Licht- und Sounddesigner die Produktion nennen. „Die Leute merken, ob etwas echt ist.“ Wie beispielsweise die Spielfreude der alten Herren des Buena Vista Social Club, nachdem sie von Ry Cooder aus Kuba heraus geholt und auf Tour durch die Welt geschickt wurden. Oder jene famose zweite Hälfte eines Konzerts von Bob Dylan im Hamburger Stadtpark, die möglicherweise dadurch zu Stande kam, dass es plötzlich anfing zu regnen – das sind so Highlights, die Jahnke im Gedächtnis geblieben sind.

In den vergangenen Jahren ist ein Phänomen, von dem auch Jahnke profitiert, die Wiederkehr der alten Stars auf den Konzertbühnen. Woran es liegt, dass die Stars von früher so erfolgreich touren? Unterschiedlich. „Spooky Tooth haben zwei Tage den Downtown Blues Club gefüllt“, sagt Jahnke. Aber das sei „pure Nostalgie“. Andererseits kämen bei Johnny Cash „die Jungen und die Alten, bei Ray Charles kamen die Jungen nicht. Cash hat als Outlaw die Leute gepackt.“

Für ihn selbst wird das Konzert des Jahres der Auftritt des Saxophonisten Sonny Rollins im November in Hamburg. Denn Jazz mag Jahnke am liebsten. Zumal, wenn er ihn selbst veranstaltet.