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Archiv-Artikel

Gefahren für Deiche nicht beherrschbar

Niedersachsen fordert von Hamburg drei weitere und „neutrale“ Gutachten zur Elbvertiefung. Die Stadt habe keine belastbaren Untersuchungen zur Sicherheit der Elbdeiche vorgelegt. Verfahren verzögert sich um weitere Monate

Neue Expertisen über die Auswirkungen einer abermaligen Vertiefung der Unterelbe fordert die schwarz-gelbe Regierung in Niedersachsen. Das bestätigte FDP-Umweltminister Hans-Heinrich Sander jetzt in einem Brief an den CDU-Fraktionschef im Landtag in Hannover, David McAllister. Im Hinblick auf die Sicherheit der Elbdeiche seien „bereits die beiden letzten Elbvertiefungen kaum noch zu vertreten gewesen“, heißt es in dem Schreiben, das der taz nord vorliegt. Auf einen weiteren Ausbau solle verzichtet werden, solange nicht nachgewiesen sei, dass die Gefahren für die Deiche „kontrollier- und beherrschbar sind“.

Konkret bestätigt Sander seinem Koalitionspartner, dass die von Hamburg bislang vorgelegten Gutachten zur Deichsicherheit „eine belastbare Folgenabschätzung nur in unzureichendem Umfang zulassen“. Deshalb habe er die Hansestadt aufgefordert, „die Erkenntnisdefizite durch unabhängige Gutachter beheben zu lassen“. Hamburgs Wirtschaftsbehörde sah sich gestern auf taz-Anfrage zu keiner Stellungnahme in der Lage.

Hamburg will den Unterlauf der Elbe zwischen dem Hafen und der Mündung bei Cuxhaven durchgängig für Schiffe mit einem Tiefgang von bis zu 14,50 Meter ausbaggern lassen. Damit soll sichergestellt werden, dass auch künftige Generationen von Containerriesen unabhängig von Ebbe und Flut die Hamburger Kais anlaufen können. Auf den Planfeststellungsbeschluss als Startsignal für das 300 Millionen Euro teure Vorhaben hofft Hamburg noch in diesem Jahr. Das aber dürfte sich wegen der schwarz-gelben Bedenkenträger an der Leine, die schon seit langem Garantien für die Sicherheit ihrer Deiche fordern, noch weiter verzögern.

Minister Sander bediente sich ungewöhnlich harter Worte. Bei den drei „wesentlichen“ Gefahrenpunkten Ufererosion, Seegangsbelastung und Schiffswellen habe Hamburg wahlweise „eine belastbare Untersuchung nicht erbracht“, die fraglichen Aspekte „nur in völlig unzureichender Weise gewürdigt“ oder sei „von unzutreffenden Voraussetzungen“ ausgegangen. Als Beispiel nennt der Umweltminister das Fehlen von Szenarien für eben die künftigen Riesenfrachter, für die der Fluss vertieft werden soll.

Deshalb werde Niedersachsen jetzt bei den Nachbarn in Hamburg auf Abhilfe dringen und „die Frage neutraler Gutachter ansprechen“, kündigt Sander an.

Damit greife er eine Forderung des „Regionalen Bündnisses gegen die Elbvertiefung“ auf, freut sich dessen Sprecher Walter Rademacher. Das werde die Umsetzung der Elbvertiefung, zurzeit Streitpunkt in den schwarz-grünen Koalitionsverhandlungen in Hamburg, „um Monate verzögern – mit offenem Ausgang“. SVEN-MICHAEL VEIT