: Haushalt ohne Konsultationen
Finanzminister Steinbrück droht, den Bundeshaushalt 2009 ohne Konsultationen mit seinen Kabinettskollegen aufzustellen. Er ist sauer über teure Zusatzwünsche für Bildung und Straßen
VON HANNES KOCH
Das Internet ist doch eine schöne Sache. Bei der Abstimmung auf seiner Internetseite hatte Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) die Nase am Donnerstag klar vorn. „Ist es gerecht, wenn wir deutlich mehr Geld ausgeben, als zur Verfügung steht?“, fragte das Ministerium die Nutzer. Das Ergebnis: 84 Prozent sagten Nein. In den Verhandlungen über den Bundeshaushalt 2009 solle Steinbrück standhaft bleiben.
Diese Verhandlungen sind jetzt auf erstaunliche Art eskaliert. Erstmals droht der Finanzminister, seinen Etat für das kommende Jahr quasi ohne Beteiligung einiger Fachminister aufzustellen. Der Grund: Die Ministerien von Michael Glos (CSU, Wirtschaft), Annette Schavan (CDU, Bildung), Wolfgang Tiefensee (SPD, Verkehr) und Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD, Entwicklung) verlangen nach Steinbrücks Ansicht viel zu viel Geld. Insgesamt summierten sich die Mehrforderungen auf rund 7,5 Milliarden Euro alleine für das Jahr 2009.
Der Ton ist rau. Torsten Albig, Steinbrücks Chefsprecher, verschickte am Donnerstag Auszüge aus der Bundeshaushaltsordnung, die belegen sollten, dass sein Minister auf die Zustimmung jedes einzelnen Ressortkollegen nicht unbedingt angewiesen ist. Und Stefan Olbermann, ebenfalls Sprecher des Finanzministeriums, sagte: Die anderen Ressorts „können gerne sinnvolle Sachen machen“, die müssten sie aber im Wesentlichen aus den Mitteln bezahlen, die ihnen jetzt schon zur Verfügung stehen. „Die schönen Dinge dürfen nicht obendrauf gepackt werden“, so Olbermann.
Sämtliche Ministerien, die im Streit mit Steinbrück liegen, haben gute Gründe für ihre Wünsche. Bildungsministerin Schavan verweist auf die gemeinsame Absicht der Bundesregierung, die Ausgaben für Forschung und Entwicklung bis 2010 auf 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu erhöhen. Außerdem ergebe sich der Mehrbedarf daraus, dass die große Koalition beschlossen habe, die Ausbildungsförderung Bafög um 10 Prozent anzuheben. „Das muss jetzt bezahlt werden“, sagte Schavan, „ich halte die Reaktion des Finanzministers für überzogen und im Ton für völlig unangemessen.“
Tiefensee, der ebenso wenig wie Schavan genaue Summen nennen wollte, möchte zusätzliches Geld für ein Lärmschutzprogramm an Straßen und Schienen ausgeben. Auch an mehr und besseren Asphalt- und Gleistrassen ist im Bundesverkehrswegeplan kein Mangel. In der moralisch besten Position ist Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul. Bei ihr geht es um die von den Vereinten Nationen angemahnte Bekämpfung der weltweiten Armut. Wieczorek-Zeul verwies auf den Koalitionsvertrag zwischen Union und SPD. Danach muss Deutschland seine Entwicklungshilfe von 0,37 Prozent des Bruttonationaleinkommens im Jahr 2007 auf 0,51 Prozent bis 2010 steigern. „Ich habe das feste Vertrauen, dass sich die Bundesregierung dieser Verpflichtung nicht entziehen wird“, ließ die Ministerin wissen.
Der Bundeshaushalt soll dieses Jahr 283 Milliarden Euro umfassen. Darin enthalten ist noch eine Neuverschuldung von 11,9 Milliarden Euro. Steinbrücks Ehrgeiz ist es, die Aufnahme neuer Schulden erstmals seit Jahrzehnten auf null zu drücken. 2011 soll es so weit sein. Offiziell unterstützt Bundeskanzlerin Angela Merkel diese Position.