: Grüne starten Eroberung der USA
In Washington haben Bündnis 90/Die Grünen den ersten Ortsverband einer deutschen Partei auf amerikanischem Boden gegründet. Als nächstes wollen sich die Kolonisten vom Mutterverband Berlin-Mitte lösen und neue Mitglieder aufnehmen
AUS WASHINGTON ADRIENNE WOLTERSDORF
„Klasse!“, „Toll“, „Prima Timing“: Als Reinhard Loske, der Bremer Umweltsenator, am Sonntagabend um kurz nach 19.30 Uhr im Washingtoner Goethe-Institut die eben vollzogene Gründung des ersten Ortsverbands von Bündnis 90/Grüne außerhalb Europas verkündete, gab es erst mal Gelächter. Loske war Ehrengast und Gründungspate, weil er an diesem Wochenende zufällig die US-Hauptstadt besuchte.
Der Mann aus Bremen meinte, den „Mantel der Geschichte“ wehen zu fühlen. Nicht nur, weil damit der erste Ortsverband einer deutschen Partei auf amerikanischem Boden gegründet worden sei, sondern „weil die Gründungsregularien einstimmig verabschiedet wurden“.
Dass Loske zum Paten dieses historischen Moments wurde, ist nur konsequent. Schließlich hatten beide Initiatoren des OV Washington, der Klimaexperte der Heinrich-Böll-Stiftung Washington, Arne Jungjohann, 34, sowie der Weltbankmitarbeiter Thomas Müller, zuvor mal bei Loske in der Bundestagsfraktion gearbeitet. Beide Männer wurden auch gleich zu Sprechern des Ortsverbandes, weil keine der drei Frauen unter den acht Mitgliedern ihnen diese Rolle streitig machen wollte. Zu den Sonnenblumen auf den Stehtischen gab es auch schon das fertige Logo: Eine in Blau-Rot-Weiß, den amerikanischen Farben, gehaltene Sonnenblume mit einigen gelben Blütenblättern. Und wer wollte, konnte auch gleich das passende Öko-T-Shirt – „mit Ökotinte bedruckt“ – für 10 Dollar erstehen. Die waren übrigens schon fertig, als der Ortsverband noch gar nicht Gestalt angenommen hatte.
Die Idee hatten Jungjohann und Müller beim Feuerwerkgucken am US-amerikanischen Unabhängigkeitstag im vergangenen Sommer „Wir stellten fest, dass wir beide beeindruckt von den Leuten waren, die wir hier trafen. Von den Deutschen, die sich der grünen Politik nahe fühlen, die aber frustriert davon sind, dass sie in Washington so viele tolle Ideen aufnehmen, die aber nicht zurücktransportieren und zu Hause in die Politik einbringen können“, sagte Thomas Müller der taz.
Jungjohann, der die Gründung schließlich organisierte, will demnächst einen Antrag bei den Grünen stellen, dass der OV Washington, zunächst noch Teil des Ortsverbands Berlin-Mitte, den Status eines Kreisverbands erhält. Denn erst dann „können wir in Berlin auch Anträge stellen, über die dann laut Satzung diskutiert werden muss“.
Jungjohann stellt sich dabei innerparteiliche, aber transatlantische Diskussionen zu Themen vor wie einer positiveren Sichtweise der Globalisierung, der Bedeutung internationaler Politik, der deutschen Rolle in der Welt und dem Antiamerikanismus, der „ab und an in den Grünen-Debatten immer wieder hochkommt“.
Er und die anderen Washingtoner Mitglieder wollen etwas von dem nach Hause zurückbeamen, was sie „die typisch amerikanische Bereitschaft zum Engagement“ nennen, die auf einer geringeren Erwartungshaltung gegenüber dem Staat gründe.
Erste Anfragen auf Mitgliedschaft gibt es schon. Dazu drei, die sich als Aktive engagieren, aber ihren heimatlichen Landesverbänden zunächst treu bleiben wollen. Einer der ersten US-Bürger, die sich fürs Mitmachen interessieren, ist Carey Campbell, Vorsitzender der Unabhängigen Grünen im Bundesstaat Virginia. Campbell arbeitete einst als AFN-Reporter in Deutschland, war befreundet mit Petra Kelly und Gert Bastian und ist ein Fan der deutschen Grünen. „So etwas wird gebraucht und benötigt. Es ist das perfekte Timing für die USA, denn nach den Wahlen wird das Interesse an grünen Themen richtig Konjunktur haben“, prophezeit er in perfektem Deutsch.