Der letzte basistreue Sozialdemokrat

Fast alle haben sie den Kopf eingezogen beim linken Flügel der SPD: Die Vizevorsitzende Andrea Nahles ist „sehr zufrieden“ mit dem neuen Plan der Partei, die Bahn zu einem Viertel zu verkaufen. Der bisher prominenteste Privatisierungsgegner Hermann Scheer trägt den Kompromiss zum Bahn-Verkauf ebenso mit wie die Vorsitzenden jener SPD-Landesverbände, die zuvor eindeutige Beschlüsse gegen jegliche Privatisierung gefasst haben. Selbst die Jusos wagen sich derzeit nicht mit der expliziten Forderung nach einem Sonderparteitag aus der Deckung.

Nur ein Mann lässt sich nicht einschüchtern: Peter Conradi, 76-jähriger Parteiveteran, streitet weiter mit voller Energie gegen den „Wortbruch“ von Kurt Beck, den er als „Schlag ins Gesicht der Partei“ empfindet. Auch die abgespeckte Privatisierung von zunächst nur 24,9 Prozent der Bahn-Verkehrssparte stehe im klaren Widerspruch zum Beschluss des SPD-Parteitags vom vergangenen Oktober, sagt Conradi. Und er weiß, wovon er spricht – denn er hatte großen Anteil am Verlauf dieses Parteitags. Mit einer engagierten Rede gegen jegliche Bahnprivatisierung hatte er die Parteiführung zu der Zusage gezwungen, allenfalls stimmrechtlose Aktien auszugeben – und anderenfalls einen Sonderparteitag einzuberufen. Die Einhaltung dieses Versprechens fordert er jetzt in einem Brandbrief, den er gemeinsam mit dem Bundestagsabgeordneten Peter Mark an die Parteispitze geschickt hat.

Für die SPD war Conradi auf allen Ebenen aktiv: Vom Leiter des Stuttgarter Bauamts über den SPD-Landesvorstand Baden-Württemberg bis zum Bundestag, dem er von 1972 bis 1998 angehörte. Angelegt hat sich Conradi mit den eigenen Genossen schon häufiger. 2005 lies er wegen der Politik der Schröder-Regierung sogar zwischenzeitig seine SPD-Mitgliedschaft ruhen. Heute stößt er nur bei der Parteiführung auf taube Ohren. Von der Basis, die die Bahn-Privatisierung laut Umfragen zu 75 Prozent ablehnt, kommt hingegen breite Zustimmung.

Gegen die Bahn-Privatisierung hat sich Conradi seit Jahren in der Expertengruppe „Bürgerbahn statt Börsenbahn“ engagiert – und in seiner Heimat Stuttgart, wo er zu den erklärten Gegnern des neuen unterirdischen Mega-Bahnhofs „Stuttgart 21“ gehört. Diesen hält er nicht nur für Geldverschwendung, sondern auch für eine Zerstörung von Stadtklima und historischen Bauten.

Bei diesem Thema ist Conradi in seinem Metier: Schon vor seiner politischen Karriere arbeitete er als Architekt, und nach dem Ausscheiden aus dem Bundestag war er fünf Jahre lang Präsident der Bundesarchitektenkammer.

MALTE KREUTZFELDT