: Das Streicheln der Leuchtfeuer
In der dritten Generation betreiben die Warfsmanns das Leuchtturm-Café auf Norderney. Am liebsten würden sie einfach nur noch den Blick aufs Watt und das allabendliche Lichtspektakel genießen, aber bisher haben sie keinen Nachfolger gefunden
Besichtigung:- auf Amrum, Mo-Fr, 8.30- 12.30 - auf Pellworm, Mo, Di, Mi um 10 Uhr und 10.45 - auf der Weserinsel Harriersand. Ab Brake/Unterweser fährt mehrmals täglich ein Boot Hochzeit: - in Pommerby bei Flensburg auf dem Leuchtturm Falshöft www.leuchtturm-falshoeft.de - in Pilsum, nördlich von Emden www.pilsumer-leuchtturm.de - in Flügge auf Fehmarn Quartier: - im Leuchtturm Roter Sand vor der Wesermündung. 475 Euro pro Nacht mit zwei Tagesreisen www.roter-sand.com - im Leuchtturm auf Neuwerk vor der Elbmündung. 60 Euro/Nacht www.leuchtturmneuwerk.de - im Leuchtturm Glove auf Rügen. Ferienwohnung auf vier Etagen: 1.300 Euro pro Woche www.ferien-im-leuchtturm.de - im Leuchtfeuergehöft Westerheversand/Eiderstedt: Seminarhaus mit 19 Betten www.schutzstation-wattenmeer.de wey
VON NORDERNEY FELIX ZIMMERMANN
Die schönste Vorstellung ist: Irgendwo, weit draußen auf der Nordsee, treffen sich die Lichtstrahlen zweier Leuchttürme. Stumm kommen sie dort für einen kurzen Augenblick zusammen, ein Streicheln nur, beschreiben dann, jeder für sich, einen Kreis, und finden wieder zusammen. So geht das die Nacht über bis zum Morgen, wenn es wieder hell ist und die Leuchtturmlichter erloschen sind. Einer der beiden Leuchttürme steht auf Helgoland, der andere auf Norderney, und Rolf und Gisela Warfsmann sitzen direkt unter ihm. Vom Leuchtfeuer, das die Seeschifffahrt durch die Deutsche Bucht lenkt und sich immer wieder mit dem von Helgoland flüchtig vereint, bekommen die beiden nichts mit, dafür sitzen sie Abend für Abend unter einem Schirm aus Licht, den die 18 Strahlen der Kuppel in die nächste Umgebung schicken. Ein Schauspiel ist das, an dem sich Rolf Warfsmann nicht satt sehen kann, obwohl ihn die Lichtschau seit Kindertagen begleitet. Er ist Hobbyfilmer und hat sich den Strahlenschirm längst auf DVD gespeichert – und sitzt doch jeden Abend wieder im Wohnzimmer, um ihn zu beobachten. Ganz bedächtig drehen sich die Lichtstreifen, gehen langsam nach unten und huschen im Norden über die Dünenkette.
Die Warfmanns und der Norderneyer Leuchtturm, das ist eine Beziehung, die seit Anfang der 1920er Jahre hält. Die Warfsmanns kamen wegen des backsteinernen Turms, der sechs Kilometer von der Stadt Norderney in den Dünen steht. Theodor Warfsmann, der Großvater von Rolf, dachte, an so einem Ort müsste es doch ein Lokal für Urlauber geben. Weit ins Land und aufs Meer geht der Blick von der Turmkanzel in 54 Metern Höhe, so ein Ausflugsziel braucht Kaffee und Kuchen und Bier, Würstchen und Dickmilch und Schinkenbrote. Also erwarb Theodor Warfsmann in den 1920ern eine verlassene Reichswehrbaracke, baute sie um und war von da an der Wirt des „Leuchtturm-Cafés“.
Warfsmann war ein Mann mit Ideen. Er richtete nebenan einen kleinen Zoo ein, dessen Attraktion weiße Hirsche und Affen waren. Vom Oldenburger Busunternehmer Pekol lieh er sich einen Bus, mit dem brachte Stiefsohn Herrmännchen die Urlauber zum Leuchtturm, wechselte die Uniform und wurde zum Wattführer, der seine Gäste sicher durch den Schlick aufs Festland geleitete. Abends waren sie wieder da und bestaunten das Lichtspiel des Leuchtturms.
So ein Ausflugslokal gibt es, nein, muss es auf jeder Ostfriesischen Insel geben. Der Strand hinter den Dünen ist zwar schön, aber mal muss man auch etwas Anderes unternehmen, und dann wollen die Urlauber sich aufs Rad setzen und durch die Dünentäler radeln bis zum Ziel. So ein Lokal musste es nie schwer haben über all die Jahre, weshalb sämtliche Warfsmanns immer sehr glücklich waren an diesem Ort. Tagsüber der Trubel, abends die Stille, Rolf und Gisela Warfsmann finden es herrlich. Er ist 1948 auf der Insel geboren, sie kam als Erzieherin aus Hannover auf die Insel und „wollte nur ein Jahr hier arbeiten“ – unterm Leuchtturm traf sie Rolf und backt heute den wahrscheinlich besten Sanddornkuchen der Nordsee.
Die Warfsmanns sind alt geworden mit ihrem Café, das ein bisschen wie ein Museum aus den 70ern aussieht mit wulstigen Lampen über den Tischen und Stühlen, die in Berliner Szenetreffs Begeisterungsstürme wecken würden. Etwas angestaubt, aber in seiner Nostalgie schön. Was zählt, ist eh der Weg ans Ziel, die Kulisse aus Leuchtturm, Watt und zartgrüner Dünenlandschaft. „Wer so schön wohnt wie wir, der will nicht nur arbeiten“, sagt Rolf Warfsmann. Er ist dieses Jahr 60 geworden, Gisela ist 59. Nach und nach haben sie den Betrieb reduziert. Nur noch an vier Tagen ist das Café geöffnet, auf Selbstbedienung umgestellt. Aus vier Ferienwohnungen haben sie zwei gemacht. 35 Jahre lang waren sie in ihrem Haus fast nur für die Gäste da, jetzt ist das Haus auch mal für sie da. Manchmal machen sie über Stunden nichts anderes als auf dem Balkon zu sitzen und aufs Watt zu schauen. Das Wasser geht und kommt, die Sonne wandert um sie herum, dann beginnt das Leuchtturmlicht über ihnen zu kreisen.
Nur eines trübt das Leben der Warfsmanns. „Ich wollte nur bis 55 arbeiten“, sagt Rolf Warfsmann. Dass er schon fünf Jahren über die Zeit ist, liegt daran, dass Warfsmanns Sohn am Bodensee wohnt und mit seiner Familie zwar gerne in den Ferien kommt, das Lokal aber nicht übernehmen will. Mit diversen Interessenten haben die Warfsmanns schon gesprochen, sie würden am liebsten verpachten. Aber die, die kamen, fanden das Café zu weit weg vom Ort. Dabei ist das wahrscheinlich sein Standortvorteil. Nun also werden die Warfsmanns noch ein paar Jahre dran hängen. Etwas Hoffnung ruht auf dem Enkel. Der hilft ihnen so gerne, wenn er in den Ferien kommt. Er ist erst zehn, aber vielleicht schmeißt er den Laden ja doch irgendwann.