: Die längste Trainersuche der Welt
Wer wird Nachfolger von Huub Stevens beim HSV? Seit Dezember sucht der Verein, doch ein offizieller Kandidat ist noch nicht benannt worden. Der amtierende Trainer wird unterdessen zur „lame duck“ und verliert seine Autorität
HSV-Vorstand Bernd Hoffmann hatte es geahnt. „Den neuen Trainer bringt eher der Osterhase als der Weihnachtsmann“, verkündete er im Dezember, nachdem Huub Stevens seinen Abschied zum Saisonende bekannt gegeben hatte. Nun wartet man bereits auf den Pfingstochsen, und selbst Aufsichtsratsboss Horst Becker zweifelt an der Politik der ruhigen Hand. „Da sollte man langsam zu einer Entscheidung kommen“, sagte er der Hamburger Morgenpost.
Nachdem zuletzt die angeblichen Wunschkandidaten Slaven Bilic, Jürgen Klopp und Louis van Gaal andere Pläne bekannt gaben und der ebenfalls hoch gehandelte Niederländer Fred Rütten nur noch mit Schalke 04 in Verbindung gebracht wird, heißt der neue Top-Favorit auf dem Gerüchtemarkt Gerard Houllier, der zurzeit technischer Direktor des französischen Fußballverbandes ist. Zu keinem dieser Namen hat sich der HSV je offiziell geäußert. „Es ist eben wie eine Kaugummi-Blase, die immer wieder rund wird – bis sie irgendwann platzt“, beschrieb Sportdirektor Dietmar Beiersdorfer stattdessen die Gedankenspiele der Öffentlichkeit.
Mit besonders lautem Knall und schmerzhaftem Echo waren die „Blasen“ namens Slaven Bilic und Jürgen Klopp geplatzt. „Aus dem Gespräch mit den HSV-Leuten habe ich gesehen, dass ich deren Hauptkandidat bin“, führte der kroatische Nationaltrainer Bilic den HSV-Vorstand vor, nachdem der ihn in Zagreb besucht hatte. Statt diese Aussage gerade zu rücken, sickerte lediglich durch, Entscheidungsträger hätten sich am Brillanten gestört, der beim Besuch von Bilic auf der HSV-Tribüne an dessen Ohr funkelte.
Mit Grausen denkt man in Hamburg an das Hickhack um die Entlassung von Stevens Vorgänger Thomas Doll zurück. Die Presse hatte bereits in dicken Lettern Felix Magath als neuen Trainer präsentiert, als dieser im letzten Moment die Reißleine zog. Schon im langen Abschiedskampf von Thomas Doll wurden die schwerfälligen Entscheidungsstrukturen beim HSV deutlich. Der vierköpfige Vorstand, zu dem neben Bernd Hoffmann und Dietmar Beiersdorfer noch Marketing-Frau Katja Kraus und Breitensport-Vertreter Christian Reichert gehören, will nur einstimmig beschließen. Und auch der genauso mächtige wie vielstimmige Aufsichtsrat muss dann noch zustimmen.
Beim Kandidaten Jürgen Klopp sollen Hoffmann und Beiersdorfer sich so lange blockiert haben, bis der Mainzer Trainer ihnen die Entscheidung abnahm und ankündigte, im Falle eines Aufstiegs in Mainz bleiben zu wollen. In der folgenden wöchentlichen Pressekonferenz des HSV ließ sich Dietmar Beiersdorfer noch so lange in die Ecke drängen, bis Pressesprecher Jörn Wolf und Vorstandskollegin Katja Kraus in die Bresche springen mussten: „Didi, du hast doch alles gesagt.“ Dass ein Boulevard-Reporter bei diesem Kreuzverhör auf dem Stuhl Beiersdorfers Platz nahm, erhöht nur den Symbolwert der Szene: Der HSV ist der in der Trainerfrage längst der Getriebene.
Währenddessen ist Huub Stevens zur „lame Duck“ geworden. Solange der Tabellenplatz stimmte, verzieh man ihm den unattraktiven Ergebnisfußball. Nach drei Punkten aus den letzen fünf Spielen ist nun aber der Zugang zu Europas Fleischtöpfen ernsthaft in Gefahr. Und auch in seiner Kernkompetenz schwächelt der Trainer. Lange Zeit konnte der Disziplinfanatiker den Kader bändigen, in dem einige Spieler die Nerven nicht im Griff haben. Doch jetzt häufen sich Platzverweise und öffentliche Stänkereien wieder.
Ein Nachfolger, der dem Kader schon mal aus der Ferne Respekt einflößt, ist nicht in Sicht. Dafür werden die Ansprüche immer höher.